Frühstück für immer + Engel über dem Revier
Doppel-LP
Gerhard Gundermann
Erstmals werden die beiden letzten, der insgesamt fünf, Studioalben von Gerhard Gundermann in einer limitierten LP-Ausgabe veröffentlicht. Das Ge- und Nachdenken anlässlich seines 25. Todestag stellt hierfür einen würdigen Kontext dar. Die Songs der Alben „Frühstück für immer“ (1995) und „Engel über dem Revier“ (1997) spiegeln in exemplarischer Weise auch die tiefgehenden Zäsuren im Leben des „Baggerfahrer und Rockpoeten“ wider. In diesem Zeitraum muss seine Lausitzer Grube, der „Tagebau Scheibe“, die Förderung einstellen. Gundermann selbst wird zu einem der letzten Bergleute, die erste Sanierungs- und Rekultivierungsarbeiten durchführen. Die Kapsel – hoch oben – im tonnenschweren Bagger war ihm Schreibbüro und Tonstudio zugleich. Vom Führer eines tonnenschweren Baggers zum Umschüler in einer durch Hit Radios lärmenden Tischlerwerkstatt ist ein Weg, dessen Dimension wohl nur diejenigen bemessen können, die ihn so oder ähnlich selbst gegangen sind.
Auf „Frühstück für immer“ (Preis der Deutschen Schallplattenkritik, Jahrespreis 1995) sind die Stücke rauer, zorniger, direkter als im eher philosophischen, an Metaphern reichen Vorgänger „Der siebente Samurai“. Das Thema vom großen Abschiednehmen umkreist viele Stücke von „Engel über dem Revier“. Beide Alben enthalten zahlreiche Stücke, die nicht nur unter der stetig wachsenden Gundermann-„Gemeinde“, zu Klassikern geworden und in den Kanon deutschsprachiger Rockmusik eingegangen sind: „Keine Zeit mehr“ (… im Spalier herumzustehen), „Und musst Du weinen“, „Brunhilde“ und „Hier bin ich geboren“ (wo die Kühe mager sind wir das Glück) sind hier stellvertretend genannt. Gundermann fing da an, „wo Springsteen und Ton Steine Scherben vor 10 Jahren aufgehört haben: er erzählt Geschichten vom flachen Land, den badlands“, wie es Frank Junghänel in der Berliner Zeitung Mitte der neunziger Jahre zu beschreiben versuchte.
Zeitgenössische Pressestimmen:
„Das Erlebnis, Anfang des Jahres plötzlich aus der selbstgewählten Rolle fallen und zur eigenen Vergangenheit als Stasi-IM „Grigori“ stehen zu müssen, vor allem aber: der dadurch begründete Verlust von Freunden wie Silly-Sängerin Tamara Danz hat Gerhard Gundermann bitter werden lassen. Es hat ihn jedoch auch auf sich selbst zurückgeworfen. Weg sind die Fabelbilder von Samurais und Drachen, von Räuber und Gendarm. „Frühstück für immer“ spielt in einer schmutzigen, längst leergeräumten Werkhalle und wer zuhört, bekommt Klartext geliefert. Schluß mit dem Versteckspiel. (…) Gundermann, eine Art ostdeutsche Antwort auf den bayrische Outlaw Hans Söllner, muß den Talverweigerer nicht mühsam mimen.“ (Steffen Köhnau in der Mitteldeutschen Zeitung Halle 1995)
„Ein Held sein wollte er nie. Eher Antiheld. Der mit der ,,Grünen Armee“, mit Kind und Katze und Frauchens Stullenpaket gegen die Wüstenei im Menschen zieht. Dessen Lieder wie der Staub der Straße sind – erdig, trocken, schwer verdaulich. Von dieser Güte ist auch sein neues, sein viertes Album. „Frühstück für immer“ enthält vierzehn eigenwillige Stücke, die sich zu einer spannungsvollen poetischen Bestandsaufnahme verdichten. Der Titelsong streckt sich über eine Vielzahl von Strophen, der zwölfte Song kommt mit einer Refrainzeile aus: „Es ist Sonntag in Schwarze Pumpe – Pumpe“ Einziges Begleitinstrument: eine Schrotsäge.“ (Frank Quilitzsch, Thüringische Landeszeitung 1995).
„Keine glatten, gefälligen Allerleutsharmonien, sondern rauher, kratziger Blues vom Werks- und Bruderkrieg: Gundermann zeichnet Stimmungen, Landschaften, Lebens- und Arbeitswelten so genau, als liefe ein Film in ihm ab.“ (Thüringer Allgemeine, Erfurt 1995)
„Der „Engel über dem Revier“ ist nach dem optimistischeren Ton der „Einsamen Spitze“, nach der Abrechnung des „Siebten Samurai“ und den wütenden Klagen über das „Frühstück für immer“ ein trauriger Engel, der sich nicht recht freuen kann über die saubere Luft, durch die er nun an einen anderen Ort fliegen muß. Dennoch ist es auch ein Verwandter des Engels von Walter Benjamin, jenem Walter Benjamin, der Revolutionen nicht für die Lokomotiven, sondern die Notbremsen der Geschichte hielt. Gerhard Gundermann ist einer, der einem, wenn es sein muß, den Griff zur Notbremse leichter macht.“ (Matthias Zwarg, Freie Presse, Chemnitz 1997)