gardens of resistance
le corbusiers unité berlin: eine landschaft am rande der stadt
Heike Hanada
Mit der Publikation wird Corbusier’s Naturverständnis am Beispiel der Unité d’Habitation Berlin hinterfragt. Gerade in Berlin scheint eine klare Aussage darüber unmöglich. Die sehr ambitionierten Entwurfszeichnungen und die letztendliche Umsetzung bzw. der heutige Zustand der das Haus betreffenden Außenräume stehen in größtem Widerspruch zueinander. Die Sorgfalt der entwurflichen Details und die Unstimmigkeit des damaligen B-Planes zeugen von einem Projekt, das nie zu seiner Vollendung gelangt ist. Dieser Makel, der von allen Unité’s nur der Realisierung in Berlin anhaftet, bedeutet aber vielleicht auch eine Chance, die Architektur Corbusier’s noch einmal unter einem freieren autonomeren Naturverständnis zu betrachten. In Ergänzung zu Publikation no1 dieser Veröffentlichung, die die entwurflichen Gedanken meiner Dortmunder Studierenden widerspiegelt, handelt es sich hier um eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Entwicklungen eines Ortes im heutigen Berlin, der sich von einem reinen Landschaftsraum in einen nicht geklärten peripheren Zwischenzustand transformierte. Betrachtet man jedoch die unmittelbare Zeit nach der Errichtung des Corbusierhauses zu Anfang der 60er Jahre, entdeckt man in der groben Sorglosigkeit der Umsetzung eine vielleicht archaisch zu deutende Qualität im direkten Aufeinanderprall von Architektur und den Phänomenen der Natur.
Der von Le Corbusier entwickelte Typ der Unité d’Habitation ist insbesondere in Bezug auf die Idee eines Gartens eine Weiterentwicklung der Villas superposées: Maison Citrohan (1920), Immeuble Villa (1922), Pavillon de l´Esprit Nouveau (1925) und Maison Clarté 1932. Die multiplizierte und gestapelte Villa der Großstadt, eine Stadt in der Stadt, in der der Garten als eine Art zentraler Salon eine vermittelnde Rolle zwischen innen und außen erhält.
Mit der Entwicklung der lmmeubles-Villas erweitert sich auch die Idee dieses Binnengartens: Ist er im Pavillon de l‘Esprit Nouveau noch fast zentral angeordnet, so verschiebt er sich in der Unité d´Habitation in drei Richtungen:
– ein „Garten“ unter dem Haus, der durch die plastisch geformten Piloti frei hindurchfließt, umschlossen von der natürlichen Vegetation des Ortes
– ein „Garten“ über dem Haus als abstrakte und kollektive Landschaftsskupltur
– ein innerer minimaler „Garten“ als zweigeschossige Loggia, eine Erweiterung des Wohnens in die Höhe.
Jede dieser „Gärten“ definiert ein ihr eigenes, vermittelndes Verhältnis zwischen Haus und Landschaft, zwischen Mensch und Umwelt. Inwieweit aber diese Umwelt eine von Menschen definierte Gestalt darstellt oder idealerweise ein losgelöstes Spiel der natürlichen Kräfte sucht, bleibt offen. In Berlin könnte diese Unbestimmtheit eine Chance darstellen, das, was uns heute an offenen Umweltfragen bewegt, in der ursprünglichen Umsetzung der Berliner Unité zu entdecken und zu fördern. Das bewegte Bild einer sich frei entfaltenden Natur im unmittelbaren Kontext der Unité d´Habitation Berlin.