Gedeutete Realität
Krisen, Wirklichkeiten, Interpretationen (3.–6. Jh. n. Chr.)
Hartwin Brandt
Jede Form von Geschichtsinterpretation ist in mehrfacher Hinsicht mit Wirklichkeit befaßt und von ihr betroffen: Erstens ist Wirklichkeit weit mehr als die Summe von Fakten und Begebenheiten – erst der kognitive Zugriff auf Vergangenes konstituiert historische Wirklichkeit. Zweitens beeinflussen die äußeren Entstehungsbedingungen von Wirklichkeitsdeutungen eben diese selbst, und drittens verfolgen derartige Interpretationen in aller Regel Wirkungsabsichten, zielen also auf künftige Wirklichkeit.
Diese fundamentalen Aspekte jeglicher Geschichtsinterpretation werden in kompetenten Einzelstudien anhand ausgewählter Beispiele aus der Zeit zwischen dem 3. und 6. Jh. n. Chr. behandelt.
Als Grundmuster spätantiker Geschichtsdeutung erweisen sich in diesem anspruchsvollen Sammelband die Konstruktion und Neuerfindung von Wirklichkeiten, Literarisierung und Stilisierung, manipulative und tendenziöse Verzerrungen sowie die gezielte Ausblendung unerwünschter Wirklichkeitselemente.
„Das besondere Verdienst dieses außerordentlich anregenden Bandes besteht darin, daß die alte Frage nach Subjektivität, Intentionalität und Zeitgebundenheit der Autoren einmal nicht vorrangig unter quellenkritischen Gesichtspunkten diskutiert wird. Die Apperzeption von Wirklichkeit durch antike Autoren wird nicht zu dem Zweck untersucht, sie anschließend um so effektiver ausblenden und sich dann in objektivistischer Manier der ‚eigentlichen‘ Realität zuwenden zu können. Sie wird vielmehr für sich genommen als historisches Phänomen und damit als für die historische Forschung würdiges Sujet verstanden.“ Plekos
„ertragreich und empfehlenswert“
Karl Christ in Anzeiger für die Altertumswissenschaften