Gefangen
Roman
Rodney Hall, Stefanie Schaffer-de Vries
Auf dem Friedhof in Gatton, im südlichen Queensland, steht ein Grabstein: „Zur Erinnerung an Michael, 29 Jahre / Norah, 27 Jahre / Ellen, 18 Jahre. Sie waren die geliebten Kinder von Daniel und Mary Murphy von Tenthill. Eine schreckliche Tragödie setzte ihrem Leben am 26. Dezember 1898 ein Ende. Requiescant in pace.“
Der Gatton-Mord ist ein in Australien berühmter historischer Fall, der nie vollständig aufgeklärt wurde. Er ist die Vorlage dieses Romans des australischen Schriftstellers Rodney Hall. Ausgehend von den Aussagen der damals Vernommenen, spürt er den inneren Geheimnissen der Familie Murphy nach und breitet eine Geschichte von patriarchalischer Gewalt, Inzest und Mord aus, die zugleich eine Metapher für die gewaltsame Besiedlung des australischen Kontinents und die Unterdrückung der Urbevölkerung ist.
Der Roman ist ein Meisterstück an sprachlicher Eleganz, denn Hall weist nie direkt auf den symbolischen Hintergrund seiner blutigen Geschichte hin. Man kann sie durchaus sehr vordergründig als literarische Kriminalgeschichte lesen. Der Text beginnt mit einfachen klaren Sätzen, aber je komplizierter die Motive der Tat werden, desto vielschichtiger ist auch die Sprache – der Stil paßt sich virtuos dem Inhalt und der tiefen Emotionalität dieser australischen Fabel an. ›Gefangen‹ ist in diesem Sinne auch ein großes Sprachspiel.
(Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)