Gegen die Fußgängermentalität
Deutsche Beat- und Undergroundliteratur
Simon Sahner
„Schreiben war gut. Besser als die Gemeinschaft mit Menschen war, über sie zu schreiben, und dann nicht an ihnen haften zu bleiben, sondern weiterzuhüpfen wie die Kugel im Roulettekessel.“ Jörg Fauser
Während Ende der 1960er Jahre die Gruppe 47 langsam Auflösungserscheinungen zeigt und Hans Magnus Enzensberger den „Tod der Literatur“ beklagt, erscheinen in kleinen Verlagen die ersten Romane von Jürgen Ploog „Cola-Hinterland“ (1969) und Jörg Fauser „Tophane“ (1972). Zur gleichen Zeit trifft der Übersetzer Carl Weissner nicht nur Allen Ginsberg und Diane di Prima in New York City, sondern auch Charles Bukowski in Los Angeles. Beinahe unbemerkt vom literarischen Establishment entwickelt sich in diesen Jahren in Anlehnung an die US-amerikanische Beat- und Undergroundliteratur in der Bundesrepublik eine literarische Strömung, die – in den Worten von Ploog – „gegen die Fußgängermentalität“ deutscher Nachkriegsliteratur anschreibt. Hatte Rolf Dieter Brinkmann noch mit „ACID“ (1969) und „Silverscreen“ (1969) amerikanische Gegenwartslyrik in größeren Verlagen publiziert, bewegen sich Fauser, Ploog und Weissner im sogenannten Underground und suchen nach Wegen, den Geist amerikanischer Highways und Großstadtdschungel in ihrem eigenen Umfeld zu finden. Die Spuren der Beat- und Undergroundliteratur in der Bundesrepublik Deutschland zeigen sich als Nebenströmung westdeutscher Literaturgeschichte, die vor allem in den Jahren 1960 bis 1980 einen Gegenpol zu der Literatur bildete, die aus der Gruppe 47 hervorgegangen war. In ihrer Geschichte deuten sich Authentizitätsdiskurse, Männlichkeitsrituale und ein Schreiben an, das immer an die Grenzen gehen will.