Gelenkte Gefühle
Literarische Strategien der Emotionalisierung und Sympathielenkung in den Erzählungen Arthur Schnitzlers
Kathrin Fehlberg
Literarische Figuren, die wir bewundern oder verachten, Geschichten, deren Handlungen uns nicht mehr loslassen, fiktive Ereignisse, die wir mit Liebe, Trauer oder Angst verknüpfen – wo immer es Texten gelingt, uns als Leser affektiv an Figuren zu binden, das Geschehen für uns imaginativ und emotional nachvollziehbar zu machen und unsere Empathie und Anteilnahme zu wecken, wird die Lektüre zum emotionalen Erlebnis. Wie Gefühle beim Lesen entstehen, wie sie gelenkt werden und wie das Zusammenspiel zwischen den Strukturen und Merkmalen literarischer Texte einerseits und den Rezeptionsprozessen auf Seiten des Lesers andererseits konzeptualisiert werden kann, zeigt die vorliegende Arbeit. Sie analysiert das emotionalisierende Potenzial von Figurendarstellungen, von literarisch gestalteten emotionalen Situationen und Verhaltensweisen sowie von narrativen Präsentationsformen wie Brief-, Tagebuch- und Monologerzählungen und weist am Beispiel der erzählenden Schriften Arthur Schnitzlers nach, wie der gezielte Einsatz erzählerischer Mittel und Textstrategien zu definierten emotionalen Rezeptionseffekten führt. Die Resultate der Untersuchung machen deutlich, dass literarische Emotionalisierung keineswegs nur eine Unterhaltungsfunktion besitzt, sondern darüber hinaus ebenso subtil wie wirkungsvoll Aussagen und Bedeutungen vermittelt – indem sie den Leser über hervorgerufene Gefühle dazu bringt, Position zu beziehen, Werturteile zu fällen und entschieden Partei zu ergreifen.