Gemeinsam vorstellen lernen
Theorie und Didaktik der kooperativen Verstellungsbildung
Hubert Sowa
Vorstellungen sind flüchtig, vage, veränderlich. Sie kommen und gehen wie das Wetter, sind schwer zu greifen und zu fixieren, schwanken zwischen der Beharrlichkeit von Gewohnheiten und der Unberechenbarkeit von störenden Ereignissen. Sie scheinen das Privateste im Menschen zu sein und sich jeder Zuverlässigkeit zu entziehen. Und doch erheben Pädagogik und Didaktik den Anspruch, die Vorstellungen von Lernenden gezielt und nachhaltig zu verändern.
Das vorliegende Buch stellt die theoretischen Grundlagen und praktischen Möglichkeiten einer Didaktik der Vorstellungsbildung dar. Im Lichte philosophischer Theorien wie aktueller anthropologischer und psychologischer Forschungen wird gezeigt, dass Vorstellungen mitnichten privat und solipsistisch verfasst, sondern Resonanzphänomene sind, die auf Empathie, Kooperation und Gemeinsinn gründen. Damit sind sie die wertvollste Ressource für Pädagogik und Didaktik und können in gemeinsamer Arbeit von Lehrenden und Lernenden nachhaltig verändert werden.
Diese didaktische Konzeption der kooperativen Vorstellungsbildung stellt sich aktuellen Ideologien des „individualisierten“ und „autokonstruktiven“ Lernens entgegen und begründet eine davon abweichende Lernkultur der Resonanz und des Gemeinsinns. An Beispielen wird gezeigt, was dies für die didaktische Praxis heißt: Wahrnehmungen, Vorstellungen und Darstellungen müssen in Situationen gemeinsamer Aufmerksamkeit verhandelt und konkretisiert werden – immer im Bezug auf Sachen, Personen und Ideen.
Sowa ist ein ebenso anschauliches wie praktisches Buch gelungen. In Art und Stil zielt es zugleich auf eine Umsetzung der eigenen Ideen, indem es auf vielfältige Weise reflektiert zur Vorstellungbildung anregt. Auch das Kunststück, unterschiedlich interessierte Menschen –Philosophen, Kunstästhetiker, Pädagogen, Praktiker – anzusprechen, ist vollbracht. Ein Büchlein, was also in viele Hände gehört, und in seiner Kürze und in seiner ansprechenden Feder gut zu lesen ist – es übt, sich seine Vorstellungen zur Vorstellungsbildung zu bilden.
Harald Schwaetzer, Coincidentia 7/2 – 2016