Geschichte der reellen Funktionen einer Veränderlichen
Ein quellenorientierter Abriss der Entwicklung vom Beginn des 17. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts
Rüdiger Thiele
Der Begriff der Abhängigkeit ist grundlegend in der Mathematik, und verschiedene Konzepte engen diese allgemeine Vorstellung ein, um für gegebene Probleme angepasste und effektive Fassungen zur Verfügung zu haben.
Die wiederholte Anwendung bei Rechnungen oder Konstruktionen von stets gleichen algebraischen Operationen führte dazu, solche algebraisch aufgebauten Terme als neue Objekte zu betrachten (Joh. Bernoulli, 1718) und schließlich als Funktionen zu bezeichnen; anders gesagt waren es die als Funktionen bezeichneten Ausdrücke, um die sich die entstehende Analysis rankte und eine neue Disziplin entstehen ließ, die Analysis. Ihre Blütezeit findet dieses algebraische Konzept in den Potenz- und Fourierreihen des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts (Euler, Lagrange, Fourier).
Die strenge Begründung der Analysis zieht die Zahlenwerte von Funktionen in ihre Überlegungen ein, um Konvergenz- und Darstellungsfragen zu klären (Dirichlet, Riemann). Damit treten die allgemeinen algebraischen Eigenschaften der Funktionen zurück, um lokale Gesichtspunkte hervorzuheben (Cauchy, Weierstraß). Gegenüber den durch konstruktive Einstellungen bestimmten Funktionen erscheinen zunehmend solche, die durch analytische Eigenschaften wie Stetigkeit, Integrierbarkeit und Entwickelbarkeit bestimmt sind und Klassen von Funktionen bilden (Borel, Lebesgue). Diese Klassen besitzen algebraische Strukturen, die Rechnungen ermöglichen, und eine Topologie erlaubt, auch Grenzübergänge auszuführen, mit anderen Worten sie konstituieren Funktionenräume.
Die fünfzehn Kapitel sowie der Anhang des Buches behandeln die skizzierte Entwicklung chronologisch, wobei die Darstellung quellenorientiert ist. Es gibt in jedem Kapitel ausführliche Literaturverweise und zur Vertiefung des Stoffes werden Übungsaufgaben an-geboten.
Das Buch wendet sich vornehmlich an Studenten mit Analysisausbildung (einschließlich Lehramtskandidaten), und es gibt Gymnasiallehrern zahlreiche Anregungen zur Gestaltung ihres Unterrichts. Schließlich bildet die zentrale Thematik der Mathematik auch einen Beitrag zur neueren Wissenschaftsgeschichte aus mathematischer Sicht. Darüber hinaus findet man schnell die wichtigsten Funktionsdefinitionen der letzten 300 Jahre.