Götter in weiß
Ärzte im Spinnennetz der Politik
Anton Neumayr
Von Imhotep bis Che Guevara
Dieses Buch betrachtet Geschichte aus der Sicht des Mediziners. Beginnend mit Imhotep, dem vor 5000 Jahren politisch tätigen Arzt des ägyptischen Pharaos Djoser bis Che Guevara, dessen moderne Idee des Exportes einer Revolution in kleinen Guerillagruppen zwar scheiterte, dessen Ideologie jedoch eine ganze Generation in Atem hielt und von dessen Mythos die Welt noch heute spricht.
Es berichtet von jenen historisch bedeutsamen Ärzten, die freiwillig oder durch Druck von außen in das Spinnennetz der Politik gerieten und durch ihre außerberuflichen Aktivitäten oft entscheidend in wichtige politische Prozesse eingreifen konnten. Stellt man sich die Frage, warum ausgerechnet Ärzte sich so bevorzugt als gesellschafts- und sozialpolitisch aktive Reformer betätigten, dann hängt dies wohl mit ihren ständigen beruflichen Erfahrungen zusammen, die sie bei der Berührung mit den Sorgen und Nöten der rechtlich Unterprivilegierten zur Kenntnis nehmen müssen. Rudolf Virchow, einer der prominentesten Wis senschaftler des 19. Jahrhunderts, erklärte dies mit einem einzigen trefflichen Satz: „Medizin ist eine soziale Wissenschaft und Politik ist weiter nichts als Medizin im Grossen.“ –
Dieses Buch stellt Geschichte einmal ganz anders dar, nämlich aus der Perspektive der Medizin und ihrer politisch agierenden Repräsentanten, die freiwillig oder unter Druck von außen in das Spinnennetz der Politik gerieten. Sieht man von wenigen Beispielen ab, blieben ihre Namen nicht durch besondere Erfolge ihrer therapeutischen Bemühungen bei Kranken und Leidenden der Nachwelt in Erinnerung, sondern ausschließlich durch ihre außerberuflichen Aktivitäten bei entscheidenden innen- oder außenpolitischen Auseinandersetzungen, sei es als Leibarzt mächtiger Potentaten, denen sie wertvolle diplomatische Dienste leisteten, sei es als bedeutende sozial- und gesellschaftspolitische Reformer oder sei es als Revolutionäre, denen es gelang, jahrhundertealte morsche Dynastien zu stürzen oder zumindest so zu schwächen, dass sie sich zu Kompromissen und damit zur Vorbereitung späterer demokratischer Veränderungen bereit erklären mussten. Im zwanzigsten Jahrhundert erschienen auf der politischen Bühne zwei neue Typen eines Arzt-Politikers, nämlich – was bisher kaum bekannt war – der Arzt als Spion ausländischer geheimer Nachrichtendienste während der beiden Weltkriege und dem nachfolgenden Kalten Krieg zwischen der USA und der Sowjetunion und schließlich die bedauernswerten, wenn auch zum Teil freiwillig angestrebten medizinischen Wegbegleiter der drei monströsen blutgierigen Diktatoren des vergangenen Jahrhunderts Josef Stalin, Adolf Hitler und Mao Tse-tung, die keinerlei Einfluss auf deren verbrecherische Politik hatten und wie im Falle von Stalins Leibarzt sogar als hilflose Marionette aus propagandistischen Gründen notfalls exekutiert werden konnten.
Die in diesem Buch vorgestellte Reihe politisch repräsentativer Arzt-Politiker beginnt mit dem später von den Griechen als Gott verehrten Imhotep, dem Leibarzt und Großwesir von König Djoser aus der dritten ägyptischen Reihe der Pharaonen zu Beginn des dritten vorchristlichen Jahrtausends, und endet mit dem legendären Arzt-Revolutionär Che Guevara, der den korrupten kubanischen Diktator aus dem Lande fegte und dessen Mythos noch heute viele Menschen in Atem hält.