Hau ab! Flüchtlingskind!
Eine behütete Kindheit trotz Flucht und Vertreibung
Birte Proettel
„Sie ist doch ein Flüchtlingskind! Fräulein Hämmerle, die habe’ doch nichts!“
Der Erdboden soll sich auftun und mich gnädig verschlingen.
Flüchtlingskind – Habenichts.
Die anderen Mädchen haben schöne große Wollknäuel. Groß wie Wassermelonen in allen Regenbogenfarben, die ein Kinderherz höher schlagen lassen.
Nur ich habe das nicht.
Ich sehne mich nach Aufmerksamkeit, Anerkennung, Liebe und Bewunderung, die mir mein Status Flüchtlingskind nicht geben kann.
Aufgeribbelte Wolle wird zum Tabu, lieber schwänze ich den Unterricht, als mit leeren Händen dazustehen.
Meine Eltern haben immer Wert darauf gelegt, Heimatvertriebene und nicht Flüchtlinge zu sein. Das Wort Heimatvertriebene beinhaltet, dass die Heimat unfreiwillig, gezwungenermaßen verlassen wird. Flüchtlinge hingegen verlassen aus den verschiedensten Beweggründen ihre Zuhause.
Wie schwer haben es heute auch die Migrantenkinder, die nicht einmal die Sprache beherrschen oder deren Akzent sie immer zu Außenseitern stempelt. Überall auf der Welt gibt es Flüchtlingskinder, überall gibt Hunger und Not und ich verstehe nicht, warum man nicht mit ein bisschen Nachdenken, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft diese Kinder im Kreis derer, die ihre Heimat nicht verlassen mussten, liebevoll aufnimmt. Keiner verlässt seine Heimat ohne Not oder andere zwingende Gründe.