Heimweh nach der Wüste – Mein Leben als unreine Frau
Hilde Kuhn
Weit unten, in der Ferne, glitzerte das Meer in der Abenddämmerung.
Als wir später von der geteerten Straße auf den holprigen Weg zum Camp einbogen, war es dunkel geworden.
Keine Lichter, nur der Himmel blau-schwarz voller Sterne. Wir hatten noch gut tausend Meter zu fahren, als plötzlich aus der Dunkelheit irgendwelche Gestalten in das Scheinwerferlicht des Autos sprangen. Frank konnte nur mit Mühe den Wagen zum Stehen bringen. Eine Horde Männer umringte kurz darauf den Wagen. Sie waren bewaffnet und zielten mit Pistolen auf uns. Sie gaben uns den Befehl, auszusteigen. Doch es waren, wie ich mit Erschrecken feststellte, keine Soldaten, sondern Jugendliche, die wild durcheinander schrien.
Ich war vor Angst wie erstarrt. Kleine Kerle mit bösen, schwarzen Augen, nicht älter als vierzehn.
„Das sind Kinder“, flüsterte ich Frank zu.
Während einer der Burschen die Waffe auf uns richtete, durchwühlten die anderen das Auto. Einer der Jungen stand so dicht neben mir, dass ich seinen Atem riechen konnte. Es war der reine Atem eines Kindes.
So schockierend die ersten Szenen von Hilde Kuhn geschildert sind, so dramatisch entwickeln sich vom Beginn ihrer Jahre in verschiedenen arabischen Ländern sowohl ihre privaten als auch die weltgeschichtlichen Ereignisse. Man möchte sogleich mehr erfahren über diese erstaunliche Frau und ihr Leben in einer Welt voller Gegensätze. Auf der einen Seite der von eher kleineren Problemen geprägte Alltag in den Ausländersiedlungen in Saudi-Arabien, dem Irak und in Libyen; auf der anderen Seite das Aufbegehren der Völker im Nahen Osten und die blutige Unterdrückung durch brutale Despoten. Einerseits die leidenschaftliche Liebe zu einem Araber, andererseits die frauenfeindliche Haltung der muslimisch-arabischen Männerwelt, die sie schmerzlich bei gynäkologischen Untersuchungen mit mittelalterlichen Methoden am eigenen Leibe erfährt.
Eine in unterhaltsamer Weise und klar verständlicher Sprache erzählte Geschichte vom Leben zwischen den Welten, von der Sehnsucht nach der überwältigenden Schönheit der Wüste und vom Unverständnis gegenüber der fehlenden Anpassungsbereitschaft zum Leben in der anderen Kultur, auch der unseren.