Heinrich Kaufringer als Märenautor. Das Oeuvre des cgm 270
Michaela Willers
Schon in den schriftlich überlieferten Anfängen des Märes, beim Stricker zu Beginn des 13. Jahrhunderts, begegnet man einem äußerst hochentwickelten literarischen Typ, der zunächst seinen Platz am Adelshof hat, im Zuge der Etablierung der städtischen Literaturzentren im 13. und besonders im 14. Jahrhundert mit in die Stadt wandert und dort entsprechenden Veränderungen (Funktionswandel) unterworfen wird. Heinrich Kaufringer ist ein Dichter des Übergangs, der nicht mehr der höfischen Zeit angehört, aber noch vor den eigentlichen städtischen Handwerkerdichtern wie Folz oder Rosenplüt schreibt. Sein Wirken kann auf die zweite Hälfte des 14. und/oder die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts festgelegt werden. Im cgm 270 ist ein nahezu vollständiges und vermutlich in der Komposition durch den Dichter selbst verantwortetes Autoroeuvre enthalten. Das Oeuvre – bisher von der Forschung hinsichtlich seiner Werkstruktur nicht fruchtbar hinterfragt – gestattet es, den einzelnen Text in seinem diskursiven Bezug zu den anderen Texten des Oeuvre zu verstehen und damit über das Programm des Oeuvre und das Märenprogramm etwas auszusagen. Es wird deutlich, was Mären-Erzählen für Kaufringer bedeutet, eine Typlogie des Kaufringer-Märes kann erstellt werden.