Henry David Thoreau
Selbstzeugnisse
Fritz Kroekel, Henry David Thoreau
„Was das Leben eines jeden Menschen eigentlich ausmacht, ist ein tiefes Geheimnis,“ bemerkte Henry Thoreau einmal schon als ganz junger Mensch. Es ist nicht schwer, über das äußere Leben Bericht zu erstatten. Die inneren Erfahrungen, die dem Kerne näher liegen, sind oft nicht so leicht zu eindeutiger Klarheit zu bringen und in Worte zu fassen. Thoreau hat nichts anderes getan, als über sein äußeres und inneres Leben Rechenschaft abzulegen; forderte er doch „von jedem Schriftsteller zuerst oder zuletzt einen einfachen und redlichen Bericht über sein eigenes Leben und nicht bloß über das, was er vom Leben anderer Menschen gehört hat“. Alles, was Thoreau schrieb, war ein Teil dieses Berichtes. Er führte ohne Unterbrechung ein Tagebuch, das keineswegs aus flüchtigen Aufzeichnungen bestand, sondern aus durchgearbeiteten Eintragungen. Aus ihnen formte er von Zeit zu Zeit einen Essay, einen Vortrag oder ein Buch.Es ist unmöglich, Henry Thoreau mit einem Wort zu kennzeichnen. Ein echter Amerikaner ist er, ein Kämpfer für die Freiheit des Einzelnen. In seinen Beschäftigungen und Aufzeichnungen finden wir einen Dichter und Handwerker, Philosophen und Wanderer, Naturforscher und Mystiker, Kritiker und Glaubenden, Rigoristen und Humoristen in einer Person. All sein Tun und Lassen quillt, mit Eckehart gesprochen, „aus dem inneren Grunde der Seele ohne ein Warum,“ es kennt nur einen Sinn: das eigene Leben zu erlösen („I wish to redeem my life“). Dazu muß sich der Mensch zuerst die innere Klarheit erarbeiten; er muß seine Gedanken ins Licht des Bewußtseins heben; was so in Worten Ausdruck findet, kann dann „auch im Leben ausgedrückt werden“.