Hermann und Dorothea
Ralf Bogner, Ferdinand von Saar
1902 veröffentlicht der renommierte österreichische Schriftsteller Ferdinand von Saar (1833-1906) die Verserzählung ‚Hermann und Dorothea‘. Der Text trägt damit denselben Titel wie eines der damals meistgelesenen Werke Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) – und tatsächlich legt hier Saar eine Neufassung dieses klassischen Epos aus dem Jahr 1797 vor. Erneut handelt der Text von einem Liebespaar, das trotz vielerlei Hindernissen und in einer äußerst schwierigen politisch-gesellschaftlichen Situation innerhalb kurzer Zeit zueinander findet. Zugleich aber nimmt Saar eine Reihe von markanten Veränderungen vor. So verlegt er die Handlung aus der Zeit von Französischer Revolution und Koalitionskriegen in die aktuelle Gegenwart der Nationalitätenkonflikte in Böhmen und Mähren. Seine Erzählung wird auf diese Weise zu einem Appell an den unveränderten Weiterbestand der Donaumonarchie als Vielvölkerstaat, die freilich zu diesem Zeitpunkt bereits auseinanderzubrechen begann. Aber auch in vielen anderen Aspekten nimmt Saar signifikante Änderungen an Goethes Vorlage vor, aus denen spannende Einblicke in die Kultur-, Alltags- und Mentalitätsgeschichte um 1900 zu gewinnen sind.
Der vorliegende Band präsentiert Saars Verserzählung erstmals in einer modernen wissenschaftlichen Edition mit einem ausführlichen Sprach- und Sachkommentar sowie einem umfangreichen Nachwort.