Im Kanaan-Express
Judith Meurer-Bongardt, Hagar Olsson
Eine Zugfahrt voller Zwischenfälle wird zum Aufbruch. Im Schnellzug von Turku nach Helsinki bricht die Beziehungslosigkeit der Reisenden auf. In der zufälligen Begegnung zwischen einem Autor und einer jungen Frau entzünden sich Wünsche nach ungekannten Wagnissen. Die für ein paar Stunden geteilte Sehnsucht nach einem erfüllteren, „echten“ Leben verwandelt den Turku-Express in den „Kanaan-Express“, auf rasanter Fahrt in ein vages Traumland der Verheißung, in dem sich exotische Bilder aus Weltmetropolen wie Paris oder Berlin entfalten.
Aber im Rausch von sexueller Freizügigkeit, Alkohol und Drogen drohen die idealistischen Lebensentwürfe zu scheitern. Immer verstörender und unwirklicher erweist sich der Kreis der Hauptpersonen als unglücklich miteinander verstrickt. Es kommt zu einem spektakulären Todesfall, und der Angeklagte nutzt den Mordprozeß, und Medienrummel zu bizarren Botschaften.
Hagar Olsson schildert in ihrem auch formal experimentellen Roman „Im Kanaan-Express“ (1929) die Krisenhaftigkeit der europäischen Moderne.
Hagar Olsson (1893-1978) gehörte zu den zentralen Figur der finnlandschwedischen wie der skandinavischen Moderne, stand mit ihrem Werk jedoch im Schatten prominenter männlicher Kollegen. Ab 1916 Verfasser von sieben Romanen, darunter „Chitambo“ (1933), von Erzählungen und Dramen, war sie mit ihren Essays „Die neue Generation“ (1925) eine emanzipierte Bahnbrecherin des Modernismus und trat als Kritikerin vehement für ihre Freundin, die heute berühmte finnlandschwedische Dichterin Edith Södergran (1892-1923), ein. Gesellschaftlich gilt sie als eine Vorkämpferin des Feminismus, die zudem Themen wie Homosexualität auch in ihrem Schreiben berührt.