In der Straße der Schwalben
Geschichten aus meiner Stadt
Albrecht-Joachim Bahr, Ulrike Kleinert
»Meine Heimat ist der Ort, in dem Menschen, die in ihren Heimatländern gegeneinander Krieg geführt haben, gemeinsam ihre Kinder zum Kindergarten bringen.«
Diese Erzählungen zeichnen die Vielfalt des alltäglichen Großstadtlebens. Manche der Figuren müssen sich mit einer prekären Existenz abfinden oder leben von Erinnerungen an bessere Zeiten; manche sind allein, verwitwet oder verzweifelt. Neben Badesee, Parzellen und sogar Pfannkuchenäpfeln bietet die Autorin überzeugende Einsichten ins Jobcenter und einen Kiosk aus Glas.
Ulrike Kleinerts Erzählkraft liegt in der empathischen Darstellung von kleinen lebendigen Details und flüchtigen Momenten von Menschen, die oft als »kleine Leute« bezeichnet werden: einer auf der Walz verliebt sich hoffnungslos in eine Frau aus einem chinesischen Imbiss; benachbarte Dönerladenbesitzer entfremden sich wegen der politischen Spannung »zu Hause«; eine Einwandererfamilie leidet durch Trennung. Kleinert ist eine Meisterin der Sehnsucht: »Seit sie schwarz trägt, zieht es sie zum Fenster.«
Aber muss dieser »Alltag« immer realistisch sein? Manchmal muss die Seele mit einem Schuss »unerklärlicher Magie« Flügel schlagen und dem Grau entkommen.
Die Aussichten sind selten düster, es gibt immer wieder Freude. Eine Frau ergaunert einen kurzen Aufenthalt in einem Edelhotel; eine vermisste Ehefrau wird gefunden, und dabei wird viel gelernt; ein Mädchen lernt Treckerfahren; vielleicht – vielleicht – vertragen sich wieder die Dönernachbarn in der Straße der Schwalben.
Dieses ist ein zärtliches Buch über Sehnsucht, Hoffnung und Aufbruch. »Meine Stadt« könnte jede Stadt sein, Bewohnerinnen und Bewohner einer bestimmten Stadt werden ihre aber ziemlich schnell erkennen.
Ian Watson