Jungiana / Reihe B. Beiträge zur Psychologie von C. G. Jung / Lumen Naturae
Gotthilf Isler
In den Volkssagen wird der Geist der lebendingen menschlichen Seele sichtbar. Sie enthalten einen nicht zu überschätzenden Reichtum an sinngebenden archetypischen Bildern, und weil sich die grossen Probleme unserer Kultur seit Jahrhunderten wenig verändert haben, finden wir in diesen Erzählungen Antwort auf wichtigste Fragen auch unserer Zeit. Vor allem geben sie Antwort auf die unheilvolle christliche Spaltung von Geist und Natur, und, indem sie die Wichtigkeit des Individuums hervorheben, auf die uns allen drohende Vermassung.
PARACELSUS hat gesehen, dass das ‚Liecht der Natur‘, das lumen naturae, inwendig im Menschen zu finden ist, im astrum, im inneren Gestirn, in psychologischem Sinn im kollektiven Unbewussten. In den Volkssagen – wie in Träumen, Visionen, Phantasien, Mythen, Märchen – leuchtet dieses Licht der menschlichen Natur auf.
Dieses Buch ist ein Versuch, den Sinn der Erzählungen wenigstens ahnungsweise zu verstehen. Es sind seelische Inhalte, die nur wenigen in modernem psychologischem Sinn bewusst wird. Wie soll einem modernen Menschen zum Beispiel die unbedingte Notwendigkeit einleuchten, eine Schlange küssen zu müssen?