Kaschmir unter den Šāhmīrīden
Śrīvaras Jaina- und Rājataraṅgiṇī, A.D. 1451–1486 | Vier zeitgeschichtliche Herrscherviten eines indo-persischen Sultanats
Walter Slaje
Śrīvaras zeitgeschichtliche Darstellung der indo-persischen Šāhmīrīden-Dynastie (1339–1555) in Kaschmir steht in der Tradition des von Kalhaṇa unter dem Namen Rājataraṅgiṇī entwickelten Genres literarischer Historiographie.
Śrīvara diente bis 1486 als Hofgelehrter und Dichter unter den vier Sulṭānen Zayn al-ʿĀbidīn, Ḥaydar Šāh, Ḥasan Šāh und Maḥmūd Šāh. Als Träger dieses Amts konnte er sich auf das Schreiben der von ihm persönlich erlebten Geschichte konzentrieren. Denn anders als seinen Vorgängern Kalhaṇa und Jonarāja, die die Geschichte Kaschmirs von den Anfängen bis zum Jahre 1459 im Rückblick komplettiert und dann bis zu ihrer Zeit fortgeschrieben hatten, blieben Śrīvara nur vereinzelt retrospektive Ergänzungen nachzutragen.
Śrīvaras als Augenzeuge verfaßte Ausführungen sind von einer bemerkenswert detailverliebten Dichte gekennzeichnet, die kaum einen Aspekt seines zeitgenössischen Beobachtungs- und Reflexionshorizonts zur kaschmirischen Alltagskultur, zum Hofleben sowie zu Politik, Religion und Gesellschaft ausläßt. Für den Nachvollzug der Islamisierungsgeschichte Kaschmirs sind in diesem Zusammenhang vor allem das Erstarken des religiösen und politischen Einflusses der aus Baihaq im Iran zugewanderten Sayyids und die durch deren herrschaftslegitimatorische Machtansprüche ausgelösten Dynamiken von herausgehobenem Forschungsinteresse, die zu einem verheerenden, von Śrīvara in Buch 4 beschriebenen Bürgerkrieg führten.
Es handelt sich bei Śrīvaras Werk um die mit Abstand reichste Quelle zur indo-persischen Herrschaftskultur und den Lebensbedingungen im Indien der Frühen Neuzeit unter den damals allgegenwärtigen Bedrohungen durch Hungerkatastrophen, Naturgewalten und kriegerische Auseinandersetzungen.
Der Sanskrittext von Śrīvaras Jaina- und Rājataraṅgiṇī wurde neu hergestellt und ist von einer annotierten deutschen Übersetzung auf gegenüberliegenden Seiten begleitet. Indices zu Namen, Titulaturen und mit Koordinaten versehenen Toponymen beschließen den Band.