Katharina von Siena
Lebenswelt, Glaubenswelt, Wirkungswelt
Gerda Riedl
Katharina von Siena (ca. 1347–1380) – prominente Heilige und Mitpatronin Europas. Doch zum Status einer populären Heiligen brachte es Katharina von Siena allerdings kaum je. Dabei handelt es sich bei dieser bemerkenswert modernen Frau um eine außergewöhnliche Erscheinung, welche wie sonst nur Franz von Assisi ihre Zeit bewegte. Nichts Geringeres wollte sie darstellen als ein genaues Ebenbild Jesu Christi, wie dieser ein Vorbild in selbstloser Lebensführung, aufopferungsvoller Menschenliebe und vorbehaltlosem Gottesbezug. 381 Briefe, eine Sammlung authentischer Gebete und ihr theologisches Hauptwerk ‚Dialog oder: Über Gottes Heilsgeschichte mit seiner Schöpfung‘ legen davon ein ebenso scharfsinnig formuliertes wie einmalig beredtes Zeugnis ab. Katharina von Siena erfüllt tatsächlich alle Kriterien eines ‚europäischen Ereignisses‘. Bedeutend und bislang weitgehend unbeachtet bleibt ihre theologische Leistung: Weil sie in den stürmischen Zeiten und wechselvollen Geschicken der italienischen Frührenaissance alles auf Gottes Heilszusage setzt, dieser das eigene Wollen geduldigst unterordnet und dabei nimmermüde intellektuellen Optimismus verbreitet, lässt sie ihre nähere und weitere Umgebung aufhorchen. Diese Frau setzte Orientierungspunkte, ohne Zwang auszuüben; sie überzeugte, ohne zu überreden; und sie wirkt bis heute, gerade weil sie nichts für sich, sondern alles für die Sache Gottes bewirken wollte.