Klinische Bewährung definitiver Zahnersatzarten – Outcomeforschung
Ein Aspekt der anwendungsorientierten zahnärztlich-prothetischen Versorgungsforschung
Peter Rehmann
Nicht zuletzt aufgrund der Diskussion um Qualität und Qualitätssicherung sowie um die Kosten-Nutzen- und Aufwand-Nutzen-Relation im Gesundheitswesen hat auch in der Zahnmedizin die anwendungsorientierte Versorgungsforschung in den letzten Jahren einen enormen Stellenwert eingenommen. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist die Evaluierung der Bewährung zahnmedizinischer Therapeutika, wie sie vor allem im Teilgebiet der Zahnärztlichen Prothetik mit Hilfe von Verweildauer- bzw. Überlebenszeitanalysen durchgeführt wird. Die durch diese Outcomeforschung gewonnenen Erkenntnisse sind unter anderem für Therapieplanungen und -entscheidungen sowie zur Qualitätssicherung von herausragender Bedeutung.
Das Ziel der vorliegenden Habilitationsschrift war es daher, durch Outcomeforschung die klinische Bewährung von Zahnersatz aus den drei wichtigsten Gruppen prothetischer Medien – herausnehmbarer partieller Zahnersatz, festsitzender Zahnersatz, implantatgestützter Zahnersatz – in der Reihenfolge ihrer momentanen Relevanz darzustellen. Dazu wurden neben einer Literaturanalyse eigene patientenbezogene klinische Beobachtungsstudien durchgeführt, deren Hauptzielkriterium die Überlebenszeit der jeweils untersuchten Zahnersatzart war. Nebenzielkriterium war die Identifizierung von möglichen modellierenden Faktoren, welche einen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit und damit auf die Bewährung der Versorgungen ausüben. Des Weiteren sollten die notwendigen Nachsorgemaßnahmen dargestellt und die ermittelten Ergebnisse mit der berücksichtigten Literatur verglichen werden. Die retrospektiven Longitudinalstudien stützten sich auf Dokumentenanalysen ausschließlich von Patienten, die in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Justus-Liebig-Universität Gießen versorgt wurden. Insgesamt wurden knapp 2300 Konstruktionen bei über 1200 Patienten in die Untersuchungen miteinbezogen. Für die Berechnung der Überlebenswahrscheinlichkeit wurde die zeitbezogene Kaplan-Meier-Analyse verwendet. Dabei waren die vorgestellten Untersuchungen dieser Habilitationsschrift im Detail auch nur durch die EDV-gestützte Patientenverwaltung mittels der Multizentrischen Dokumentation (MZD)-Software möglich, denn erst die 2003/2004 etablierte digitale Datenbank ermöglichte die systematische Erhebung von Patientendaten und -befunden in diesem Ausmaße. Dabei zielte das Konzept des Systems von vornherein auf eine wissenschaftliche retrospektive Betrachtung und Nutzung der Daten ab.
Betrachtet man im Ergebnis die anfangs erwähnten drei Hauptgruppen prothetischer Medien in der Reihenfolge ihrer momentanen Anwendungshäufigkeit und nimmt man die Überlebenswahrscheinlichkeit als validen Maßstab für die klinische Bewährung, so ergaben die eigenen Beobachtungsstudien im Zusammenhang mit der Literaturanalyse in dieser Beziehung eine umgekehrte Rangfolge. Implantatgetragener Zahnersatz scheint dicht gefolgt von der Gruppe der konventionellen festsitzenden Konstruktionen am erfolgreichsten zu sein.
Die vorgestellten Untersuchungen zeigten außerdem, dass, je komplizierter und behandlungs- sowie labortechnisch anspruchsvoller, die Versorgungsformen (Teleskopprothesen, implantatgestützter Zahnersatz) wurden, umso wartungsintensiver waren sie während der Funktionszeit, erkennbar an den zahlreichen Instandhaltungsmaßnahmen. In Bezug auf die Misserfolgsursache stellte bei den untersuchten Zahnersatzarten Karies und weniger Parodontopathien bzw. Periimplantitiden den häufigsten Grund dar. In diesem Zusammenhang schien auch der Ausführungsform und -qualität der Konstruktionen eine entscheidende Rolle zuzukommen. Ferner hatte die Einbeziehung eventuell parodontal kompromittierter bzw. endodontisch und mit einem Stift versorgter Pfeilerzähne einen erheblichen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit und damit auf den Erfolg der Gesamtkomplexe.
Des Weiteren wurden mit Hilfe der eigenen Untersuchungen spezielle in der Literatur identifizierte Fragen beantwortet.
Unter anderem auf Basis der vorgelegten Erkenntnisse ist eine wissenschaftliche Stellungnahme als Planungshilfe und Behandlungsempfehlung mit dem Titel „Definitive Versorgung des Lückengebisses mit herausnehmbarem Zahnersatz – Differentialindikationen“ entstanden. Auch führten die ermittelten Ergebnisse zu abteilungsinternen Maßnahmen bei der Qualitätssicherung.
Schlussendlich lassen die vorgestellten patientenbezogenen klinischen Beobachtungsstudien im Kontext mit der berücksichtigten Literatur den Schluss zu, dass nicht die prothetische Versorgungsform per se für den Erfolg von Zahnersatz verantwortlich ist, sondern die diese beeinflussenden Faktoren. So stellen neben der befundadäquaten Planung die primäre Ausführungsqualität und die kontinuierliche Nachsorge inkl. guter Mundhygiene die eigentlichen erfolgsentscheidenden Kriterien für die Bewährung bzw. für den Erfolg von Zahnersatz dar.