Kopf an Kopf
Meinungsforschung im Medienwahlkampf
Sieglinde K Rosenberger, Gilg Seeber
Deutschland und Österreich im Herbst 2002. Wie inszeniert waren die Kopf-an-Kopf-Rennen der politischen Kandidaten, wie sehr ist öffentliche Meinung überhaupt ein Konstrukt, das die Demoskopie herstellt, das Medien vermitteln und das politisch Wirkung zeigt?
Wie schon Monate zuvor in Deutschland boten auch die Berichte im Vorfeld der österreichischen Nationalratswahlen 2002 das Bild eines bis zur letzten Minute offenen dreifachen Wettrennens: hier zwischen SPÖ und ÖVP, zwischen FPÖ und Grünen und schließlich zwischen rechtem und linkem Lager. Die Kopf-an-Kopf- Inszenierung machte den sonst inhaltsarmen Wahlkampf spannend, wöchentlich erstellte Wahlprognosen legitimierten, das Rennen zwischen den politischen Parteien als knappes zu deuten. Am Abend des Wahltags dann die große Überraschung: Die ÖVP war mit 5 Prozent Vorsprung eindeutig stärkste Partei, Rot-Grün lag um 6 Prozentpunkte hinter den Regierungsparteien. Was war geschehen? Haben die befragten Wählerinnen und Wähler die Meinungsforscher in die Irre geführt, indem sie Antworten verweigerten oder Unentschlossenheit signalisierten? Sind die Fehlprognosen statistischen Schwankungsbreiten oder zu kleinen Stichproben zuzuschreiben? Oder diente die Sportmetapher gar einer gemeinsamen Inszenierung von Meinungsforschern und Medien im Streben nach Präsenz und Reichweite? Jedenfalls gehört die Veröffentlichung von Meinungsforschungsergebnissen mittlerweile zum Standardrepertoire medialer Bearbeitung von Wahlkämpfen.