Lebensadern der Globalisierung
Politikum 2/2022
Hans-Jürgen Bieling
Infrastrukturen werden oft als gegeben betrachtet. Sie geraten nur dann ins Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit, wenn sie ausfallen oder nicht so funktionieren wie erwartet. Dabei geht es um Handelswege, Systeme der Energieversorgung, digitalisierte Kommunikationssysteme wie das Internet, die satelliten-gestützte Navigation (GPS) und Systeme mit einer hohen Datenübertragung (5G) und internationale Zahlungssysteme (SWIFT), die nicht nur den Handel, sondern auch die grenzüberschreitende Vernetzung der Finanzmärkte abstützen. Die terroristischen Anschläge und Cyber-Attacken der 2000er Jahre haben bereits dazu geführt, dass einige dieser Infrastrukturen diskursiv „versicherheitlicht“, d.h. als anfällig für existenzielle gesellschaftliche Bedrohungen betrachtet wurden. Einige Wissenschaftler gehen inzwischen noch einen Schritt weiter und verweisen darauf, dass Infrastrukturen mitunter strategisch als nicht-militärische „Waffe“ eingesetzt werden können, um Druck auf missliebige Staaten auszuüben. In Reaktion auf die russische Invasion in die Ukraine nutzen nun nicht mehr nur China und die USA, sondern auch die EU und andere Staaten Infrastrukturen, so etwa SWIFT, um Sanktionen effektiv durchsetzen zu können. Diese Ausgabe von POLITIKUM diskutiert: Wie schreitet der Aufbau grenzüberschreitender Infrastrukturen voran? Nehmen die Konflikte um ihre Organisation und Kontrolle zu? Wie positioniert sich die EU? Verfolgt sie eine eigenständige Strategie? Gibt es auch neue Chancen der Kooperation? Wenn ja, in welchen Bereichen und unter welchen Bedingungen?