Linkages und implizites Wissen als Determinanten wirtschaftlicher Entwicklung
Eine theoretische Analyse illustriert am Beispiel Ostdeutschland
Florian Mayer-Hasselwander
Seit 1996 hat sich in Ostdeutschland der Pro-Kopf-Abstand zur westdeutschen Wirtschaftsleistung kaum verringert. Diese relative Stagnation widerspricht der neoklassischen Konvergenzthese, nach der die vergleichsweise niedrige Kapitalintensität im Osten zu einem Renditevorteil für private Investitionen und damit zu einer höheren Wachstumsrate führen müsste. Der Verfasser nimmt dieses Phänomen zum Anlass, einen alternativen Ansatz zur Erklärung regionaler und nationaler Entwicklungsprozesse zu präsentieren, aus dessen Sicht die aktuelle Stagnation eine logische Konsequenz aus der besonderen Qualität des Wachstums ist, das in den ersten Jahren in Ostdeutschland dominiert hat. Der Verfasser berücksicht dabei in seiner Theorie den Raum als wesentlichen Einflußfaktor. Seine Theorie basiert einerseits auf einer modernen Variante des »Linkages«-Begriffs, der im Zentrum von Albert Hirschmans klassischer Entwicklungstheorie aus den 50er Jahren steht, zum anderen auf dem Begriff des »impliziten Wissens«. »Linkages« als auch »implizites Wissen« bedingen eine räumlich polarisierte, sich selbst verstärkende Wirtschaftsentwicklung und stabilisieren so eine einmal gewachsene regionale und sektorale Wirtschaftsstruktur. Demgegenüber sehen sich strukturschwache Regionen schwer überwindbaren Barrieren gegenüber, da das Renditegefälle trotz niedriger Lohnkosten tendenziell zugunsten der bestehenden Agglomerationszentren ausfällt. Auf diese Weise lassen sich persistente Wohlstandsunterschiede zwischen Regionen erklären, ohne z.B. auf die Wirkung institutioneller Faktoren abheben zu müssen. Auch die in Ostdeutschland und anderen strukturschwachen Regionen typischerweise eingesetzten Politikinstrumente erscheinen vor dem Hintergrund dieser Theorie in einem neuen, wenig vorteilhaften Licht.