Lob der Schulden
Claudia Hamm, Nathalie Sarthou-Lajus
Erschütternd sei die gegenwärtige Finanzkrise, so schreibt Nathalie Sarthou-
Lajus, weil sie ein neoliberales Ideal grundlegend in Frage stellt: das Ideal vollkommener
Unabhängigkeit und Souveränität. Unfreiwillig ist der Kapitalismus
neuerdings gezwungen, die Abhängigkeit aller von allen anzuerkennen, seine
Identität wackelt.
Schulden sind jedoch nicht allein ein wirtschaftliches Verhältnis, und so
zeigt dieser Essay anhand zahlreicher Beispiele aus der Literaturgeschichte
die Allgegenwart der Schulden und deren Symbolkraft. Denn das menschliche
Dasein besteht im Geben und Nehmen. Wir leben in familiären, historischen
und geographischen Zusammenhängen und bleiben einander immer etwas
schuldig. Aus Schulden muss aber nicht zwangsläufig ein Schuldgefühl entstehen,
zumal sich niemand davon befreien kann. Wenn es gelingt, die unbezahlbare
und damit existenzielle »Verschuldung« gelassen anzunehmen, wird
zugleich tröstlich die überindividuelle Kontinuität erkennbar. Denn in der unauflöslichen
»Erbschuld« allein liegt die Möglichkeit einer Zukunft.
Ein subtiler, erhellender Essay, lebendig und inspirierend.