loslabern
Rainald Goetz, Leopold von Verschuer
Eine Art monologisches Sprechen hebt an, es ist die Stimme des Autors, die zu hören ist. Es ist die am Mikrofon stattfindende Wiederbegegnung bzw. Selbstkonfrontation mit dem eigenen, Monate zuvor entstandenen und mittlerweile in Buchform vorliegenden Text, der seinen Anfang nimmt in der Beschreibung eines initiatorischen Moments, und zwar exakt des Moments, der von der Empfindung und Denkbewegung zur Schreibaktion führt. ‚In einer Aufwallung von Direktheit und quasi sinnfreier Intentionalität hatte der Höllor, die Arme von sich werfend himmelwärts, ausgerufen: LOSLABERN: Traktat, Traktat über den Tod, über Wahn, Sex und Text, und, erheitert von diesem soeben durch ihn hindurchgefahrenen Expressivitätsereignis: Bericht!, der Herbst 2008!, dem davon Angestoßenen sofort stattgegeben und es geschehen lassen, dass da also LOSGELABERT würde, und dabei erzählt, wie ich, hier ja in Gestalt des Klagor noch, auf der Buchmesse 2008 bei Joachim Unseld auf dem Gang gestanden war, zu etwas vorgerückter Stunde schon, an dieser Ecke bei der Treppe, im Gespräch mit dem Schriftsteller Binswanger und dem Feuilletonredakteur Canetti, selbst schon etwas angetrunken, dadurch aber auch gesteigert animiert und verstärkt bei Sinnen, und wie es dort also zu diesen sofortistisch hochfahrenden Darlegungen über das LOSLABERN, eine entsprechend maximale Ethik der Schrift gekommen war, eine Moral des Schreibens, ich hatte in den Tagen zuvor diesbezüglich einige Notizen gemacht und war dadurch aktuell besonders besessen von diesen für mich verschiedene sehr existentielle Fragen lösenden Ideen, redete dadurch aber auch wie eingesperrt in diese Ideen daher, viel zu sehr gefesselt von ihnen, grotesk hysterifiziert durch sie‘. Es ist keine Autorenlesung, die im Studio aufgezeichnet wird. Aber auch kein dramatisches Sprechen, kein Inszenieren, kein verkünsteltes Adaptieren des LOSLABERN-Textes ins akustische Medium – und auch kein Hörspielmonolog. Die eigenen Interpretations- oder Rezitationsansätze des Autors und die im Studio gebotenen Möglichkeiten, in schmaler Differenz akustische Räume zu eröffnen, kennzeichnen das Konzept der Produktion LOSLABERN.
(Textnachweis: Rainald Goetz: „loslabern“. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009.)