Lucie Sahner
CI-WA 4 Montag-Montag
Lucie Sahner, die sich in ihrer künstlerischen Arbeit seit Jahren mit dem menschlichen Körper und seinen Abdrücken – nicht zuletzt mit der so anrührend seltsamen, lebendig-toten Substanz des Haars – auseinandersetzt, hat vor etwa zwei Jahren begonnen, sich mit besonderen Abfallprodukten der Schönheitsindustrie zu befassen: gebrauchten Enthaarungswachs-Stücken aus dem Hausmüll sogenannter Waxing-Studios. Zwei Jahre lang erforschte sie auf verschiedene, oft experimentelle Weisen die Materialität dieser gegenwartsarchäologischen Objekte. Der Ansatz war dabei zumeist die Transformation des Materials, das eingeschmolzen, in Form gegossen, verarbeitet und wiederum geschmolzen wurde.
Nach dem verarbeitenden, transformierenden Umgang mit diesem Material stellt Lucie Sahner nun eine Auswahl von unbearbeiteten Wachsstücken aus. Die Ausstellung ist zugleich der Schlussakt eines Atelierstipendiums, das sie im Saarländischen Künstlerhaus seit Februar 2017 ein Jahr lang innehatte, und ein (zumindest vorläufiger) Abschluss der durch die Auseinandersetzung mit dem Material Enthaarungswachs geprägten Werkphase. Zu diesem Zweck ist Lucie Sahner noch einmal zu einer neuen „Ernte“ ausgezogen; das gezeigte Material (ca. 1000 einzelne Wachsstücke) stammt von zwei verschiedenen Studios und stellt eine Auswahl aus der (beträchtlich größeren) Abfallmenge einer einzigen Woche Waxing-Betrieb dar.
Die Stücke sind in der Form belassen, in der die Künstlerin sie im Hausmüll vorfindet. Sie wurden lediglich von Betriebsabfällen gereinigt. Beim geduldigen Freipinseln der Fundstücke von Kaffeesatz und anderem Alltagssediment mit einer Art Fossilienbürste mag ihr die Idee gekommen sein, dass man diese Objekte eigentlich als archäologische oder naturhistorische Zeugnisse zeigen müsste. Die Ausstellung orientiert sich an einer klassifizierenden, taxonomischen Museumsästhetik und präsentiert die Wachsstücke nach verschiedenen Kriterien sortiert – Größe und Form, was auf eine Kategorisierung nach Körperbereichen hinausläuft, sowie nach weiteren, optischen Kriterien. Zur Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit der Grafikerin Birte Spreuer und dem Schriftsteller Moritz Klein ein Katalog erstellt, der die Spannung zwischen einer Ästhetik musealer Sachlichkeit und dem intimen, körperbezogenen Gegenstand im Zusammenklang von Bild und Wort erkundet.
Text: Moritz Klein