Mehrweg in der Gastronomie – Status quo, Herausforderungen und Potenziale
Alexandar Burger, Kurt Schüler, Nils Wedekind
Verpackungen sind allgegenwärtig und haben viele nützliche und notwendige
Funktionen. Doch wir gebrauchen viel zu viele Verpackungen und recyceln
zu wenige. Obwohl das Bewusstein für das Problem wächst, ist bisher noch
keine Trendwende erkennbar. Die Menge der zu entsorgenden Verpackungsabfälle steigt stetig an.
Der Verpackungsabfall in Europa ist um mehr als 20 Prozent in den letzten
zehn Jahren gestiegen. Bis 2030 könnten noch einmal 19 Prozent hinzukommen, wenn nicht gegengesteuert wird.1
Deshalb hat die EU-Kommission
nun zum ersten Mal ein Vermeidungsziel in ihrer Verpackungsverordnung
vorgeschlagen und im Mehrwegbereich klare – wenn auch zu wenig
ambitionierte – Zielvorgaben benannt. Wenn auch zaghaft, wird die Verpackungswende in Europa und auch in Deutschland versucht, und wir
müssen alles dafür tun, damit sie erfolgreich verläuft. Denn: Die meisten
Verpackungen bestehen auch heute noch aus Neu- und nicht aus Recyclingmaterial, und auch außerhalb des Verpackungssektors verbrauchen wir
mehr Ressourcen, als uns die Erde bereitstellen kann.
Der neueste Circularity Gap Report – ein Bericht zum Stand der weltweiten
Kreislaufwirschaft – zeigt, dass wir nur rund 7,2 Prozent unserer wertvollen
Ressourcen im Kreislauf führen und der Verbrauch weiter wächst.2
Mit
steigendem Verbrauch fließen immer mehr Ressourcen in Materialien und
Produkte, die wir nicht hochwertig im Kreislauf belassen. Der immense
Ressourcenverbrauch, der damit einhergeht, wirkt sich auf die Biodiversität
und das Klima aus. Mit Blick auf das Klima müssen insbesondere die
fossilen Rohstoffe im Boden bleiben.
Wenn Verpackungen, vor allem solche aus Kunststoff, in die Umwelt
gelangen, leiden alle: Mensch, Tier, das gesamte Ökosystem. Dazu hat der
WWF im letzten Jahr eine ausführliche Studie veröffentlicht.3
Nach derzeitigen Prognosen werden bis 2050 die Herstellung und Verbrennung von
Kunststoffen zehn bis 13 Prozent des weltweiten jährlichen Kohlenstoffhaushalts ausmachen.4
Es ist unübersehbar – wir müssen handeln!
Seit 2023 gilt in Deutschland die sogenannte Mehrwegangebotspflicht. Ein
wichtiger Schritt um Einwegkunststoffverpackungen zu reduzieren. Aber
reicht das? Der folgende Bericht zeigt, dass 2022 der Mehrweganteil in der
deutschen Gastronomie unter einem Prozent lag. Das ist verschwindend
gering. Die Einweg-Routine besteht seit Jahrzehnten. Eine reine Angebotspflicht ohne gleichzeitige Anreize wird schwerlich dazu führen, dass
Mehrweg-modelle zum Standard werden.
Damit dies geschieht, gilt es aus unserer Sicht, folgende Punkte zu adressieren:
• Um die Wirksamkeit dieses Gesetzes zu messen, sind Daten notwendig.
Die Mehrwegangebotspflicht wird nur als Erfolg gelten können, wenn
der Mehrweganteil bis Ende 2023 deutlich steigt. Mit unserer Erhebung
werden die Daten aus dem Jahr 2022, vor Inkrafttreten der Mehrwegangebotspflicht, als Baseline zur Verfügung gestellt. Wir sehen es als
Aufgabe des Gesetzgebers an, Ende dieses Jahres die Wirksamkeit des
Gesetzes zu überprüfen. Dazu gehört auch das Monitoring möglicher
Substitutionsbewegungen.
• Bei Speisen bezieht sich das Gesetz nur auf Einwegverpackungen aus
Kunststoff. Diese Gesetzeslücke muss geschlossen werden, damit keine
Verschiebung zu Einwegverpackungen aus Papier oder Aluminium stattfindet. Wie auch bei den Einweggetränkebechern sollte hier unabhängig
vom Material eine Mehrwegangebotspflicht bestehen. Weiterhin sollten
alle Betriebe, unabhängig von ihrer Größe, verpflichtet werden, mitgebrachte Mehrwegbehältnisse von Kundinnen und Kunden zu befüllen.
• Wir brauchen eine Standardisierung bei Mehrwegverpackungen. Die
Mehrwegbehälter müssen einheitlichere Formen haben und scanbar sein,
damit sie Auskunft geben können, wo sie sich gerade im Umlauf befinden.
Konkret müssen die Umlaufzahlen – also wie oft ein Mehrwegbehälter
benutzt wird – erhoben werden, da dies direkte Rückschlüsse auf die
ökologische Vorteilhaftigkeit zulässt. Komfort bei der Rückgabe ist
unabdingbar, wenn Mehrweg Routine werden soll. Dementsprechend
müssen die Rückgabestellen für Mehrwegverpackungen standardisiert,
bekannt und zahlreich sein. Diese wichtigen Punkte zu adressieren, ist
Aufgabe der Mehrweg-Lösungsanbieter und des Gesetzgebers.
• Poollösungen, also Mehrwegbehälter, die überall angeboten und zurückgegeben werden können, sind sinnvoller als Insellösungen, die meist nur
bei einem Anbieter wieder entgegengenommen werden.
• Es fehlen klare Anreize für Konsument:innen, die Einweg-Routine zu
durchbrechen. Damit sich dies ändert, müssen Mehrwegverpackungen
günstiger sein. Eine bundesweite Abgabe auf Einwegverpackungen –
materialübergreifend – kann diesen Anreiz schaffen.
• Vor allem ist ein Gesetz nur wirksam, wenn der Gesetzgeber es
kontrolliert und durchsetzt.
Der WWF hat Ende letzten Jahres gemeinsam mit der Initiative
ProjectTogether und dem Mehrwegverband die Umsetzungsallianz
„Mehrweg.Einfach.Machen“ gegründet. Damit wollen wir gemeinsam mit
allen relevanten Akteur:innen die bestehenden Hindernisse beseitigen,
um die Marktanteile von Mehrweglösungen drastisch zu steigern.
Dazu sind jetzt aber der Wille und die Anstrengung aller Beteiligten
unerlässlich – der Mehrweg-Systemanbieter, der Betriebe, der
Konsument:innen, der Behörden und aller Menschen, die sich engagieren.