Melancholisches Schreiben nach Auschwitz
Studien zu Wolfgang Hildesheimer, Jean Améry und W.G. Sebald
Christoph Pflaumbaum
Dass die Melancholie, wie Wolfgang Hildesheimer anmerkt, als ‚Nicht-Bewältigung des Lebens‘ vornehmlich ein literarisches Thema sei, gilt ebenso programmatisch für Jean Améry und W. G. Sebald. Alle drei Autoren beziehen sich über Motive, Figuren und spezifische Darstellungsverfahren auf das kultur- und literaturgeschichtlich traditionsreiche Konzept der Melancholie in ihrer Vielgestaltigkeit. Das Autoren-Trio vereint aber auch die Tatsache, dass sie die Literatur und damit ihr eigenes Schreiben im Zeichen von ‚Auschwitz‘ problematisieren. Die Studie geht der Beobachtung nach, dass sich in der signifikanten Verschränkung, die sich aus einem melancholischen Schreiben über und nach Auschwitz ergibt, eine Dopplung zweier Unsagbarkeitsdiskurse vollzieht. In einer dadurch gesteigerten Selbstreflexivität wird so auf ein prekäres Repräsentationsvermögen des Literarischen nach 1945 aufmerksam gemacht, das gleichwohl zu einer ästhetischen Produktivität führt. Die Studie arbeitet ein über die Melancholie organisiertes Nachdenken über die Shoah heraus und leistet damit einen Beitrag zur literarischen Melancholiegeschichte und -theorie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zugleich erfolgt eine Relektüre dreier zentraler Akteure der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur.