Menschenrechtliche Sorgfalt ist machbar
Recherche zur Umsetzbarkeit menschenrechtlicher Sorgfalt in deutschen und europäischen Unternehmen
Cornelia Heydenreich, Sarah Lincoln, Julia Thrul
Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen geben vor, dass
Unternehmen die menschenrechtlichen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit identifizieren, negativen
Auswirkungen vorbeugen, Schäden wiedergutmachen und diese Schritte transparent
kommunizieren sollen. Die vorliegende Recherche zeigt, dass diese Sorgfaltsanforderungen auch
umsetzbar sind. Befragt wurden Unternehmen, aber auch Unternehmensberater/innen und Menschenrechtsexpert/
innen. Die Erfahrungsberichte zeigen auf, dass sich sowohl komplexe, große
und multinationale Unternehmen als auch kleinste KMU ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht
stellen können.
Die Maßnahmen der Unternehmen reichen von Schulungen ihrer Zulieferer über langfristige Verträge
mit den Lieferanten bis hin zu einer Reduzierung der Anzahl der Zulieferer. Wo ein einzelnes
Unternehmen nicht weiterkommt, zum Beispiel bei strukturellen Herausforderungen wie Vereinigungsfreiheit
oder existenzsichernden Löhnen, suchen engagierte Unternehmen die Zusammenarbeit
mit anderen Unternehmen der Branche, mit Gewerkschaften oder auch mit Multistakeholder-
Initiativen wie der Fair Wear Foundation.
Die Befragung der Unternehmen hat verdeutlicht, dass noch viel Bewusstseinsbildung zur menschenrechtlichen
Sorgfaltspflicht erforderlich ist. Das fängt damit an zu klären, um welche Themen
und Herausforderungen es bei der menschenrechtlichen Verantwortung der Unternehmen überhaupt
geht. Aber nicht nur Unkenntnis ist zu verzeichnen, auch der deutsche Perfektionismus und
der eigene Anspruch, keine Fehler machen zu dürfen, steht deutschen Unternehmen mitunter im
Wege, um überhaupt den ersten Schritt auf dem Weg der Erfüllung menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht
zu gehen.
Vor dem Hintergrund der Frage, ob die Erfüllung menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht freiwillig
bleiben oder verbindlich reguliert sein sollte, wurden zwei existierende Regulierungsbeispiele
untersucht: der Dodd-Frank Act aus den USA und der Modern Slavery Act aus Großbritannien. Beide
Beispiele zeigen, dass gesetzliche Vorgaben die Wirtschaft nicht ruinieren, sondern Verbesserungen
schneller vorantreiben können.
In den Gesprächen betonten die Befragten vor allem die Aufgabe des Staates, bestehende Gesetze
und Willenserklärungen zur Achtung von Menschenrechten konsequenter umzusetzen. Auch die
Vorbildrolle des Staates mahnten die Gesprächspartner/innen an, insbesondere bei der Auftragsvergabe
der öffentlichen Hand und bei der Außenwirtschaftsförderung.
Unternehmen, die sich bereits in größerem Umfang ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht
stellen, sehen die Grenzen ihres eigenen Engagements, wenn ihre Konkurrenten nicht mitziehen.
Diese Unternehmen halten eine gesetzliche Regelung für erforderlich. Dabei sollte die Politik die in
den Gesprächen geäußerten Bedenken der Unternehmen berücksichtigen und darauf hinwirken,
dass eine wirksame und zielführende Rahmensetzung geschaffen wird.