Messung des oxidativen Schadens an caninen Erythrozyten verursacht durch die mehrtägige Gabe von verschiedenen Nichtsteroidalen Antiphlogistika (Meloxicam, Metamizol, Carprofen)
Julia Lieser
Die vorliegende Studie ist eine prospektive beobachtende Kohortenstudie, durchgeführt in der Privatklinik AniCura Kleintierspezialisten Augsburg in Deutschland im Zeitraum April 2018 bis Juli 2019, mit dem Ziel oxidativen Erythrozytenschaden durch die Gabe nichtsteroidaler Antiphlogistika bei Hunden zu untersuchen. Die Studie wurde durch die Ethikkomission in Gießen genehmigt (Vorgangsnummer: V 54 – 19 c 20 15 h 02 GI 18/17 kTV 14/2017).
Hintergrund der Studie ist, dass während der Routinebeurteilung von Blutausstrichen von Hunden im Zentrallabor der Universität Gießen vermehrt Ekzentrozyten auffielen, wenn diese mit Metamizol therapiert worden waren. Ekzentrozyten gelten als Zeichen eines oxidativen Erythrozytenschadens. Da bisher die Auswirkungen der Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika auf Erythrozytenmorphologie und oxidativen Status bei Hunden nicht bekannt sind, hatte diese Studie zum Ziel dies genauer zu untersuchen.
Unsere Hypothese war, dass Metamizolgabe im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe und einer Therapie mit Meloxicam oder Carprofen zu einem Anstieg der Marker für oxidativen Erythrozytenschaden führt. Zudem sollten bisher fehlende Referenzintervalle für die Marker Superoxiddismutase und Glutathionperoxidase erstellt werden.
Material und Methoden:
Für die Ermittlung von Referenzintervallen für Superoxiddismutase und Glutathionperoxidase wurden adulte, anamnestisch sowie aufgrund einer gründlichen klinischen Untersuchung und Untersuchung eines Blutbildes und klinisch chemischer Parameter gesunde Hunde, die nicht mit nichtsteroidalen Antiphlogistika vorbehandelt wurden, eingeschlossen.
Zur Untersuchung des Einflusses der Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika auf Marker des oxidativen Stresses wurden Hunde eingeschlossen, welche mindestens zehn Tage lang entweder Meloxicam, Carprofen oder Metamizol erhalten hatten. Zusätzlich wurde eine Gruppe gesunder Hunde als Vergleichsgruppe herangezogen.
Um sicherzustellen, dass sowohl die Kontrollgruppe, als auch die Gruppen von Hunden, die nichtsteroidale Antiphlogistika erhielten, ansonsten keine Erkrankungen hatten, die Erythrozyten vermehrtem oxidativem Stress aussetzen, wurde eine gründliche Anamnese durchgeführt und alle Hunde wurden klinisch untersucht und eine komplette hämatologische und blutchemische Untersuchung durchgeführt.
Ausschlußkriterien waren schwerwiegende andere als orthopädische Erkrankungen, Auffälligkeiten bei der klinischen Untersuchung (zum Beispiel Fieber oder Herzgeräusch), Verabreichung von anderen Medikamenten, die mit oxidativem Schaden in Zusammenhang gebracht werden und inflammatorische Erkrankungen (wie Polyarthritis und Diskospondylitis) oder abweichende Befunde in der klinisch-chemischen Blutuntersuchung. Um die Hunde, die nichtsteroidale Antiphlogistika erhielten hinsichtlich möglicher intraoperativer Blutungen, welche die zwischen 10 und 12 Tagen postoperativ entnommenen Proben hätten beeinflussen können, zu vergleichen, wurde zudem ein Blutungsindex erstellt.
Die Aktivität der Enzyme Superoxiddismutase und Glutathionperoxidase in bei -80°C eigefrorenem EDTA Blut wurde in einem externen veterinärmedizinischen Labor (SYNLAB.vet GmbH, Augsburg, Deutschland) gemessen.
Zudem wurden im Blutausstrich die Anzahl an Ekzentrozyten und Heinz Innenkörperchen quantifiziert indem jeweils 500 Erythrozyten zweimalig ausgezählt wurden und jeweils der Mittelwert aus den zwei Zählungen ermittelt wurde.
Statistik: Die statistische Auswertung und graphische Darstellung erfolgte mit dem Programm GraphPad Prism (Graph Pad Prism version 6.0, Graph Pad Software Inc., San Diego, USA) und dem Programm Excel (Excel 2008, Microsoft Corporation, One Mircrosoft Way, Redmond, WA98052-6399, USA).
Sechs Schlüsselparameter bestehend aus Hämoglobin, Superoxiddismutase, Glutathionperoxidase, Retikulozyten-, Ekzentrozyten- und Heinz Innenkörperchenanzahl wurden prospektiv bestimmt und mittels Shapiro-Wilk-Test und D‘Agostino-Pearson Test auf Normalverteilung untersucht und mittels Kruskal-Wallis-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Als post-hoc Analyse wurde im Falle einer Signifkanz ein Dunn’s Test durchgeführt.
Referenzintervalle für die beiden untersuchten Enzyme wurden mit dem Reference Value Advisor generiert, wie von Geffré et al. beschrieben, wobei ein robustes Verfahren nach vorheriger Box Cox Transformation Verwendung fand. Ein möglicher Alters- und Geschlechtseinfluss auf die Marker Superoxiddismutase und Glutathionperoxidase erfolge mittels Polynomialregression nach vorheriger Box Cox Transformation beziehungweise Mann-Whitney-U-Test.
Ergebnisse: Um die Referenzintervalle für Superoxiddismutase und Glutathionperoxidase zu generieren, konnten 58 Hunde in die Studie aufgenommen werden. Als Referenzbereiche mit einem 90% Konfidenzintervall wurden für Superoxiddismutase 692,0 bis 2432,9 U/g Hämoglobin mit einem medianen Wert von 1278,5 U/g Hämoglobin und für Glutathionperoxidase 186,1 bis 800,8 U/g Hämoglobin mit einem medianen Wert von 412,9 U/g Hämoglobin ermittelt.
In der Gruppe der gesunden Kontrolltiere waren 47 Hunde, während je 20 Hunde eingeschlossen wurden, welche Meloxicam oder Carprofen erhielten und 22 Hunde, welche Metamizol über 10 Tage erhalten hatten. Die Studiengruppen unterschieden sich ebenfalls nicht signifikant in Alter, im Gewicht und in der Dauer der Verabreichung sowie im Blutungsindex.
Hunde, die Metamizol erhielten, zeigten eine signifikant höhere Ekzentrozyten- (Median 14,5/500 Zellen vs 0/500 Zellen in den anderen Gruppen, p=0,0006) und Retikulozytenzahl (Median 191,4 x109/l vs 31,6 – 37,9 x109/l, p=0,0005) im Vergleich zu allen anderen Gruppen sowie eine signifikant erniedrigte Hämoglobinkonzentration (Median 13,6 g/dl vs 17,3 und 17,2 g/dl, p<0,0004) im Vergleich zur Kontrollgruppe und Hunden, die Carprofen erhielten. Es konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen der Superoxiddismutase und Glutathionperoxidase Aktivität gefunden werden. Heinz Innenkörperchen wurden in keiner der Gruppen gefunden.
Schlussfolgerung: Es konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Gabe von Metamizol und dem Auftreten einer Retikulozytose und einer Ekzentrozytose gezeigt werden. Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen erscheint es wahrscheinlich, dass Metamizol erhöhten oxidativen Stress bei Erythrozyten hervorruft. Mittels Messung von Glutathionperoxidase und Superoxiddismutase konnte dies nicht nachgewiesen werden.
Ein vermehrtes Auftreten von Retikulozytose ohne Anämie bei Hunden, die mit Metamizol therapiert wurden, war auffallend und sollte in zukünftigen Studien auch mittels statistischer Auswertung untersucht werden.
Im Hinblick auf die in dieser Arbeit gewonnen Erkenntnisse sollte Metamizol bei Patienten, die erhöhtem oxidativen Stress ausgesetzt oder bereits anämisch sind, nur mit Vorsicht eingesetzt werden.