Milchmusik
Thomas Strittmatter
Vor kurzem habe ich dem Jungen ein Gedicht aufgesagt. Es hätte mich gefreut, wenn er es auswendig gelernt hätte, aber er lernt nicht auswendig, sagt er. MUTTER, MUTTER, D’MILCH WIRD IMMER MEHR oder ähnlich. Es tat ihm leid, dass er es nicht auswendig lernen wollte. Er sagte, er werde das Gedicht auf der Stelle vertonen. Und spielte auf der Maultrommel eine Milchmusik. Du hast recht, sagte ich, das Auswendiglernen hat keinen Sinn, wenn du solche Musik zum Gedicht machst. Über die Musik habe ich den Wortlaut des Gedichtes vergessen. Hätte ich ihn nur behalten, denn jetzt habe ich nichts mehr, bis der Junge wiederkommt, um mir die Milchmusik vorzuspielen.