Mit der Aporie leben
Heinz Robert Schlette
Aus dem Vorwort zur 2. Auflage, geschrieben 2020:
„Es wäre gewiss leichtsinnig, wollte man „die Philosophie“ insgesamt als „aporetische Theorie“ bezeichnen. (Ob sie in toto als „kritische Theorie“ angesehen werden kann, dürfte richtiger sein, mag aber hier auf sich beruhen bleiben.) Es spricht jedoch einiges dafür, dass manche thematischen Felder der Philosophie nur so zu reflektieren sind, dass sie sich als aporetische Theorie erweisen. Es kann hier nicht diskutiert werden, ob und wie man z. B. in Bezug auf die Ethik, die Rechtsphilosophie, die Staatsphilosophie, auch die Ästhetik von aporetischer Theorie sprechen kann, in Bezug auf die so genannte Religionsphilosophie halte ich dies indes für möglich, ja für notwendig. Somit verstehe ich dieses kleine Buch als einen Beitrag zu dem, was man m. E. „aporetische Theorie“ nennen kann, als einen Beitrag, der zunächst das Verständnis von „Aporie“ zu klären sucht und alsdann die Religionsphilosophie in den Blick nimmt. Der „heiße Kern“ einer auf das weite Gebiet der Religionsphilosophie bezogenen aporetischen Theorie wird natürlich in diesem Buch nur an einigen Beispielen und in geraffter Form erörtert. Dabei halte ich es für berechtigt, dass den Positionen von Simone Weil, Albert Camus, Jean Améry und Émile M. Cioran, die zum Teil schon der Vergessenheit anheim zu fallen scheinen, erneut Aufmerksamkeit geschenkt wird, da sie je auf ihre Weise sichtbar werden lassen, welche Denk- und Lebensmöglichkeiten sich aus der aporetischen Theorie und Existenz ergeben (ohne dass ich freilich den Anspruch erhebe, dass die hier gewählten Beispiele die unübertroffen besten sind, von der Vollständigkeit ganz abgesehen). Da das Leben mit der Aporie gerade auf der religionsphilosophischen Ebene für viele nach wie vor von existentieller Bedeutung sein dürfte, wünsche ich natürlich, dass dieses Buch in mancher Hinsicht ein hilfreicher Wegweiser sein möge.“ Heinz-Robert Schlette