Mittelalterliche Handschriften in Greifswalder Bibliotheken
Verzeichnis der Bestände der Bibliothek des Geistlichen Ministeriums (Dombibliothek St. Nikolai), der Universitätsbibliothek und des Universitätsarchivs
Jürgen Geiß
Der Katalog erschließt 174 überwiegend spätmittelalterliche Handschriften (Mitte des 13. bis Ende des 16. Jahrhunderts), die sich heute im Besitz des Geistlichen Ministeriums am Dom St. Nikolai (104 Codices) sowie der Universitätsbibliothek (66 Codices) und im Universitätsarchiv (4 Codices) in Greifswald befinden. Sie wurden vom 1. Dezember 2001 bis zum 31. Oktober 2006 im Katalogisierungszentrum der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz in Form einer verkürzten Beschreibung (sog. „Kurzkatalog“) nach den Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft erschlossen.Beim Bestand des Geistlichen Ministeriums handelt es sich überwiegend um spätmittelalterliche Gebrauchshandschriften aus den Bereichen Praktische Theologie und Recht. Über vier Fünftel der Codices stammen aus den beiden Bettelordenskonventen der Franziskaner und Dominikaner in Greifswald. Nur einige versprengte Stücke stammen aus dem Vorbesitz von Geistlichen an der Greifswalder Pfarrkirche St. Marien, während aus den beiden anderen großen Kirchen der Stadt (St. Nikolai, St. Jakobi) keine Handschriften überliefert sind. Einige der in die Greifswalder Klöster- oder Kirchenbibliotheken eingegangenen Codices spiegeln indirekt die Frühzeit der 1456 in der Stadt gegründeten Universität (deren zeitgenössischer Buchbestand verloren ist), wie etwa ein bedeutendes Legat des Juristen Johannes Meilof an das Dominikanerkloster (20 Codices) sowie ein kleineres des Theologen Wichmann Kruse an die Marienkirche.Die thematische Breite des Bestandes der Universitätsbibliothek ist wesentlich weiter gestreut. Mit Recht, Theologie, Medizin und Artes, Chroniken, Frömmigkeits- und Andachtsliteratur, Vokabularien sowie humanistischen Texten sind die wichtigsten Bereiche spätmittelalterlicher Literatur gut vertreten. Als Besonderheiten sind zu nennen eine um 1250 in Paris geschriebene und illuminierte Dekretalen-Handschrift, drei während des Konstanzer Konzils im Auftrag des Ermländer Bischofs Johannes Abezier geschriebene Humanistenhandschriften, ein knappes Dutzend niederdeutscher und niederländischer Gebetbücher sowie vier schwedische Handschriften mit Texten zu Recht und Chronistik. Die Provenienzen stammen nur zum kleineren Teil aus dem mittelalterlichen Greifswald; der Hauptteil ist Streubesitz aus dem Ostseeraum, aus den Niederlanden, vom Niederrhein sowie vereinzelt auch aus Italien und Frankreich.Die vier Handschriften aus dem Universitätsarchiv umfassen mit der Hauptmatrikel, den Annalen sowie mit dem Dekanats- und Statutenbuch der Artistenfakultät die vier wichtigsten historischen Quellen der Frühgeschichte der Greifswalder Universität.Die Daten des gedruckten Katalogs sind auch über die Handschriftendatenbank (www.manuscripta-mediaevalia.de) recherchierbar. Hier sind auch Reproduktionen der Handschriften selbst zu finden, die zu einem Drittel des Bestandes vollständig und zum Rest in Auswahl digitalisiert wurden. Eine repräsentative Auswahl von 26 Abbildungen liegt auch in dem gedruckten Katalog vor, darunter zehn in Farbe.Insgesamt sind die Greifswalder Handschriftenbestände – vor allem jene aus dem Geistlichen Ministerium – sind für die Ordens-, Kirchen- und Geistesgeschichte im spätmittelalterlichen Hansegebiet von großer Bedeutung, da sich in kaum einer anderen vergleichbaren Hansestadt ein Handschriftenbestand in einer derartigen Geschlossenheit erhalten hat.