Modellierung des zeitabhängigen thermomechanische Steifigkeitsverhaltens spritzgegossener kurz- und langfaserverstärkter Thermoplaste
Jens Heinz Josef van Haag
Zur Beschreitung neuer Wege bei der Entwicklung leichterer Bauteile wird derzeit verstärkt auf den Einsatz von Faserverbundkunststoffen (FVK) gesetzt. Diese bieten aufgrund ihrer geringen Dichte bei gleichzeitig hohen mechanischen Eigenschaften vielversprechendes Potenzial zur Realisierung leichter, aber dennoch mechanisch hoch beanspruchbarer Bauteile. Vor allem in der Automobilindustrie stellt dies eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Erreichen der vereinbarten Klimaziele dar. Zeitgleich erobern FVK weitere Branchen, in denen das Potenzial dieser Werkstoffe ebenso gesehen wird und ausgeschöpft werden will. Lediglich in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit von FVK mit oftmals duroplastischen Matrixsystemen ergeben sich Einschränkungen für deren weitgehende Verbreitung in der
industriellen Großserie [Sch08]. Eine Ausnahme stellen faserverstärkte Werkstoffe mit thermoplastischer Matrix dar, die aufgrund wettbewerbsfähiger Rohstoffpreise und großseriengerechter Zykluszeiten die Anforderungen der Industrie hinsichtlich Kosten und Stückzahlen erreichen. Da Thermoplaste nicht vernetzen, ergeben sich für diese Werkstoffe
auch spezifische Nachteile, die sich in Form von Schwindung und Verzug einerseits und einer erhöhten Zeitabhängigkeit des Steifigkeitsverhaltens andererseits äußern [Sch08]. Um die genannten Nachteile abzumindern, werden häufig Verstärkungsfasern beigemischt.
Einen wesentlichen Aspekt für die Erschließung neuer Anwendungsgebiete durch den Einsatz thermoplastischer FVK stellt die Verfügbarkeit verlässlicher Auslegungsverfahren dar. Methoden der computergestützten Produktentwicklung (engl.: Computer Aided Engineering – CAE) haben sich als unverzichtbares Werkzeug bei der Entwicklung neuer Bauteile etabliert. Beispielsweise, aber nicht ausschließlich in der Automobilindustrie rückt die simulative Auslegung und damit eine ständig fortschreitende virtuelle Entwicklung immer mehr in den Vordergrund [Bet09]. Insbesondere für neuartige Werkstoffe und deren Verarbeitungsverfahren ist somit die Verfügbarkeit belastbarer Auslegungsmethoden eine der Grundvoraussetzungen für deren erfolgreiche Verbreitung in industriellen Anwendungen.