Moderne Wissenschaftlichkeit
Wilhelm Diltheys Wissenschaftskonzept für die Geisteswissenschaften
Ildikó Trostel
Moderne Wissenschaftlichkeit und Dilthey? Das mag einigermaßen überraschend klingen. Doch genau das ist das Ziel dieses Buches: zu zeigen, daß Diltheys Wissenschaftskonzept eines ist, in dem die – heute als selbstredend geltenden – Grundlagen für moderne Wissenschaftlichkeit in den Geisteswissenschaften herausgearbeitet werden. Leitgedanke bei der Rekonstruktion ist die These, daß es die handlungstheoretische Grundeinstellung ist, die das Konzept kennzeichnet. Mensch und Welt werden demnach als in Wechselwirkungsverhältnis stehend begriffen. Die Diskussion der Möglichkeit objektiver Erkenntnis in den Geisteswissenschaften führt in dieser handlungstheoretischen Perspektive zum einen zur erkenntnispsychologischen Analyse der Objektivierungsleistung des Subjekts und zum anderen zur Diskussion von Objektivität als der Herstellung von Intersubjektivität. Objektivität wird damit in die historische Praxis hineingenommen. Das läuft in der Methodologie auf die Verpflichtung von Wissenschaft zur strengen Erfahrungswissenschaftlichkeit hinaus. In der Wissenschaftslehre führt es auf die einzunehmende Haltung des ‚kritischen Methodenbewußtseins‘ des Wissenschaftlers, eines Bewußtseins, das auf Herkunft, Funktion und Reichweite wissenschaftlicher Erkenntnismittel reflektiert, nach Funktion und Zweck wissenschaftlicher Erkenntnisse fragt und ihren Geltungsanspruch diskutiert. ‚Historische Selbstbesinnung‘ nannte Dilthey sein Projekt, das im Ergebnis auf eine Einstellung abzielt, in der Wissenschaftlichkeit im Sinne des Empiriegebots für die Geisteswissenschaften möglich wird.