Neue Wege der Bonitätsprüfung.
Das Kreditgespräch als Instrument zur Beurteilung der Unternehmerpersönlichkeit.
Iven Graf von Reventlow
Das Kreditgeschäft ist das traditionell wichtigste Geschäft der Banken, besonders im Firmenkundensegment. Deswegen haben sich Forschergenerationen seit jeher mit der Suche nach neuen Verfahren zur Reduzierung von Kreditrisiken befaßt. Bisher steht zwar der Jahresabschluß im Mittelpunkt der Betrachtungen, daneben finden sich jedoch immer wieder Bestrebungen, auch nicht in Zahlen darstellbare Risikokomponenten einer Bewertung zugänglich zu machen. Für Risiken, die der Marktposition, dem technologischen Fortschritt oder der strategischen Ausrichtung einer Unternehmung entstammen, liegen bereits vielversprechende Ansätze vor.
Der für den Erfolg eines Kreditengagements ausschlaggebende Faktor ist allerdings der Unternehmer selbst. Die Bewertung der Persönlichkeit des Unternehmers bei der Bonitätsprüfung ist aber aufgrund der Komplexität menschlichen Wirkens ein überaus schwieriges Unterfangen. Darum verwundert es nicht, daß der Beurteilung der Unternehmerpersönlichkeit als Instrument der Bonitätsprüfung bislang eine vergleichsweise geringe Rolle in der Bankbetriebswirtschaft zukommt.
Diese Arbeit beabsichtigt, einen richtungsweisenden Beitrag zur Beseitigung dieser Lücke zu leisten. Ihre Kernaussage lautet, daß sich aus dem Kreditgespräch selbst alle für eine Bonitätsbeurteilung notwendigen Informationen gewinnen lassen. In diesem Sinne ist das entworfene Instrument kein reines Analyseinstrument. Vielmehr basiert es auf dem zielgerichteten Ineinandergreifen von Informationsgewinnung und -bewertung. Die Informationsgewinnung ist das Zentrum einer erfolgreichen Beurteilung der Unternehmerpersönlichkeit. Unverzichtbar ist eine vollständige Erhebung der relevanten Daten. Anregungen zur Kreditgesprächsführung nehmen dabei also eine zentrale Rolle ein. Die Informationsbewertung ist weitgehend als Sprachanalyse konzipiert. Schon die Fokussierung auf das Kreditgespräch läßt keine andere Möglichkeit zu.
Charakteristisch für die Analyse ist hier, daß vermieden wird, ein allgemeines Anforderungsprofil zur jeweiligen Situation der kreditsuchenden Unternehmung in Beziehung zu setzen. Vielmehr gilt es – unter aktiver Teilnahme des Unternehmers – ein den Besonderheiten Rechnung tragendes Anforderungsprofil jeweils neu zu erstellen. Das Fundament dieses situativen Profils bilden die philosophische Hermeneutik sowie neueste Erkenntnisse aus Betriebswirtschaftslehre und Psychologie. Die Bedürfnisse des Praktikers weisen sowohl Ziel als auch Weg einer Beurteilung der Unternehmerpersönlichkeit. Die Arbeit ist daher sowohl für den theoretisch orientierten Leser als auch für den Bankpraktiker von großem Interesse.