Nietzsche absconditus oder Spurenlesen bei Nietzsche / Jugend 1858-1861
Interniert in der Gelehrtenschule: Pforta 1858-1864 oder Wie man entwickelt, was man kann, längst war und weiterhin gilt, wie man ausweicht und doch neue Wege erprobt
Hermann Josef Schmidt
Nietzsche absconditus Jugendanalysiert die Texte des Schülers Nietzsche, die er während seiner sechs Jahre an der Eliteschule Pforta von 1858 bis 1864 schrieb. Subtil werden die Strategien nachgezeichnet, mit denen sich der Junge den Zwängen des protestantischen Internats zu entziehen und wie er seine eigene geistige Welt aufzubauen suchte. Neben Nietzsches Aufzeichnungen und Gedichten dieser Zeit werden auch unveröffentlichte biographische Quellen herangezogen, die dieses Kapitel seiner Lebensgeschichte in einem neuen Licht erscheinen lassen. Die Leser erhalten Einblick in eine der Umgebung sorgsam verborgene Welt des Widerstandes gegen die christliche Erziehung, lernen neben vielem anderen die sexuellen und religiösen Probleme des Jugendlichen als Grundlage seiner späteren Philosophie verstehen.
Im ersten Teilband, der die Zeit von Herbst 1858 bis zum Jahresende 1861 umfaßt, wird nach einer umfassenden forschungskritischen Einführung in subtiler Beweisführung die behördlich verordnete Christlichkeit der Landesschule Pforte als „christliche Mogelpackung“ dechiffriert und eine zweite sowie dritte unsichtbare Klostermauer versammelten Schweigens identifiziert. Die Entwicklung Nietzsches führt von selbstmordnaher Lebensmüdigkeit zu einer den späten Kampfruf „Dionysos gegen den Gekreuzigten“ antizipierenden fulminanten dionysischen Selbstverfluchung des Christentums.
Nietzsche absconditus ist eine einzigartige Monographie zum frühen Nietzsche. Die „kriminalistische Wissenschaft“ Hermann Josef Schmidts macht das Werk auch für „akademisch Unverseuchte“ interessant; für Leser, die nach Wegen zur Befreiung von christlichen Traumata suchen oder sich zu einer weniger konventionellen, spannenden und vor allem treffsicheren Nietzschelektüre anregen lassen wollen. Denn trotz aller wissenschaftlichen Gründlichkeit verliert der Autor nie die Aktualität des Denkers Nietzsche aus dem Auge.