Orientierungen von Jugendlichen beim Urteilen und Entscheiden in Kontexten nachhaltiger Entwicklung
Eine rekonstruktive Perspektive auf Bewertungskompetenz in der Didaktik der Naturwissenschaft
Hannes Sander
Bewertungskompetenz, also Urteils- und Entscheidungsfähigkeit, stellt ein zentrales Ziel des naturwissenschaftlichen Unterrichts dar. In der derzeitigen fachdidaktischen Diskussion dominieren Nutzen-Wert-Modelle des Urteilens und Entscheidens, soziologische und weitere entscheidungspsychologische Arbeiten wurden nur selten rezipiert. Die vorliegende Studie zieht diese Arbeiten heran und nimmt mit Hilfe qualitativer, fokussierter Einzelinterviews und der dokumentarischen Methode die Perspektive von Jugendlichen auf Fragestellungen nachhaltiger Entwicklung in den Blick.
Die Rekonstruktion zeigt, dass Orientierungsrahmen, also prä-reflexive, habitualisierte Wissensbestände in Bezug auf Werte, Zeitlichkeit und die eigene Person im Verhältnis zu anderen Menschen, das Urteilen und Entscheiden der Jugendlichen strukturieren. Darauf aufbauend werden drei Typen im Umgang mit Problemen nachhaltiger Entwicklung identifiziert und im Hinblick auf didaktische Konsequenzen analysiert. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse plädiert die Studie für einen bildungstheoretisch fundierten Begriff von Bewertungskompetenz: Diese sollte nicht nur als das Erlernen bestimmter Urteilsstrategien, sondern auch als Reflexionsfähigkeit auf eigene, habitualisierte Wissensbestände verstanden werden. Zudem macht die Studie Vorschläge zur begründeten Auswahl von Kontexten für Bewertungskompetenz.