Philosophie der Medizin
Kleine Vorträge zur Systematik
Johann-Heinrich Königshausen
Die Fragen nach Materie, Kausalität, Raum und Zeit beschäftigten die
Philosophen seit Aristoteles, über Thomas von Aquin bis hin zu Kant.
Nach der Ausdifferenzierung der sogenannten Einzelwissenschaften
im 19. Jahrhundert bemerkte Einstein einmal, dass Ernst Cassirer der
letzte sei, mit dem er sich auf ›Augenhöhe‹ über diese Probleme unterhalten
könne. Ein anderer Quantenphysiker bemerkte, weil ihn die
Philosophen im Stich ließen, müsse er selbst zum Philosophen werden.
Denkt man derzeit an die so strittigen Positionen im Bereich der
subatomaren und kosmophysikalischen Theorien innerhalb der sogenannten
hard sciences (seit E. Schrödinger bis hin zu R. Penrose, B.
Greene, L. Smolin und C. Rovelli z.B.), wird deutlich, dass die Physik
als Disziplin ihre – mittlerweile – eigenen philosophischen Probleme
hat. Dies gilt sicherlich auch für andere Wissenschaftsdisziplinen (vor
allem die Biologie in ihrer Abwendung vom ›genzentristischen‹ Zeitalter
seit den 80/90er Jahren, dem Verhältnis von Evolutionstheorie und
Entwicklungsbiologie bis hin zu Positionen von EvoDevo).
Der Titel Philosophie der Medizin spielt auf diese allgemeine wissenschaftsgeschichtliche
Entwicklung an: Die geradezu phantastische
wissenschaftliche Ausdifferenzierung der Medizin, die Positionierung
der Medizin zwischen angrenzenden (nicht nur ›naturwissenschaftlichen‹,
auch hermeneutischen) Fächern, ihre beruflichen und institutionellen,
vor allem auch ökonomischen und ethischen Handlungsaspekte
generieren eigene philosophische Probleme, die weitgehend
außerhalb der akademischen Disziplin ›Philosophie‹ stehen.