Philosophie im Umbruch
Der Bruch mit dem Aristotelismus im Hellenismus und im späten Mittelalter – seine Bedeutung für die Entstehung des epochalen Gegensatzbewusstseins von Antike und Moderne. 6. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung am 29. und 30. November 2002 in Marburg
Gyburg Radke-Uhlmann, Arbogast Schmitt
Die Frühe Neuzeit hat über ihre eigene Vergangenheit ein vernichtendes Urteil gefällt, das in der Vorstellung vom ‚finsteren‘ Mittelalter bis heute weiter wirkt. Tatsächlich wendet sich die beginnende Moderne nicht von einer Zeit ohne Künste und Wissenschaften ab, sondern entwickelt ein verändertes Verständnis. Sie greift dazu auf eine neue Antike, die Antike des Hellenismus,
v. a. in römischem Gewand, zurück und wendet sich von der veralteten Antike des Aristotelismus ab.
Eine solche Abwendung hatten die hellenistischen Philosophenschulen selbst schon (um 300 v. Chr.) vollzogen. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Brüchen mit dem Aristotelismus wurde bisher kaum erforscht. Die Studien des Tagungsbandes beleuchten Gemeinsamkeiten und Differenzen dieser Umbruchphasen. Ein erstes wichtiges Ergebnis ist eine neue Sicht auf das Verhältnis der Moderne zum Mittelalter: Hier steht nicht eine naive einer selbstbewusst gewordenen Epoche gegenüber, sondern es verdrängen sich zwei hochkomplexe, in sich geschlossene Systeme – mit Folgen, die bis in die Gegenwart wirken.