Professionelle Führung in der Polizei
Jenseits des Führungsmythos und technokratischer Managementansätze
Christian Barthel, Jochen Christe-Zeyse, D. Heidemann
Die Führungslehre in der Polizei ist traditionell geprägt durch aufgabenbezogene- normative und instrumentell-methodische Erwartungen und Anforderungen an die Führungskraft; im Vordergrund stehen damit oft Wunsch- und Tugendkataloge samt den Instrumentarien, die als Erfolgsrezepte für gute Führung angemahnt werden. Der Aspekt des „Sollens“ wird damit auf Kosten des praktischen „Könnens“ überbetont.
Tatsächlich stehen Führungskräfte in der Polizei auf allen Ebenen nicht als souveräne Führer über der Organisation bzw. ihrem Verantwortungsbereich, sondern sie handeln innerhalb eines komplexen Netzwerks unterschiedlicher Anspruchsgruppen und erfolgskritischen Kooperationspartner. Dieses Netzwerk ermöglicht, aber es begrenzt auch Führungshandeln und Führungserfolg. Für erfolgreiche Führungskräfte ist es demnach wichtig, diese faktischen und organisationsstrukturellen Dimensionen des „Könnens“ identifizieren, verstehen und gestalten zu können.
Das vorliegende Buch unternimmt den Versuch, den Führungs- und Managementdiskurs in der deutschen Polizei an den aktuellen Stand der Managementlehre anzukoppeln. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass eine moderne polizeiliche Führungslehre mehr braucht als normative Appelle und einen Werkzeugkasten betriebswirtschaftlicher Instrumente, sondern ausgehen muss von einem empirisch gesättigten, zugleich aber auch theoretisch fundierten Verständnis der spezifischen Funktionsweise institutioneller Organisationen, wie die Polizei eine ist.
Dabei wird das Themengebiet aus drei Perspektiven beleuchtet: aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive, die Führung in einem organisations-, das heißt mikropolitischen Handlungsfeld beschreibt, aus einer methodisch-didaktischen Perspektive, die das Führungshandeln in komplexen Netzwerken lehr- und trainierbar macht, sowie aus einer für die spezifisch polizeiliche Organisationskultur sensiblen Managementlehre, die der Frage nachgeht, unter welchen Bedingungen moderne Managementansätze in einer Organisation wie der Polizei überhaupt eine realistische Chance haben, Wirkung zu entfalten.
Diese drei Perspektiven lassen sich auch als eine erste Vermessung des komplexen Themas „Führen in der Polizei“ verstehen. Organisationssoziologie, Managementlehre und eine wirksame Didaktik sind damit die Bezugspunkte, von denen aus das Fundament und die Architektur der Führungslehre in der Polizei entwickelt werden können.