Rencontre – Begegnung
Au péril d‘exister, Briefwechsel / Correspondance, Français / Deutsch, 1953 – 2004
Roland Kuhn, Henri Maldiney
Nach den 6 Bänden Münsterlinger Kolloquien, die die Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen des Schweizer Psychiaters Roland Kuhn (1912–2005) als eine Art Lehrhaus dokumentieren, in dem sich der bestimmenden Traditionen und Quellen für das ärztliche Tun und deren In-der-Welt-sein mit den Patienten vergewissert wird, folgt nun der einzigartige Briefwechsel zwischen dem Schweizer Psychiater Roland Kuhn (1912–2005) und dem französischen Philosophen Henri Maldiney (1912–2013), der in Lyon lehrte. Obwohl eine beeindruckende Gestalt, im deutschen Sprachraum nur vergleichbar Hans-Georg Gadamer, ist er hierzulande kaum bekannt.
Diese Begegnung und der von ihr zeugende Briefwechsel machten Epoche in beider Leben. Selbst als Briefwechsel ist er ein Ereignis. Die Begegnung fand 1953 in Kreuzlingen bei Ludwig Binswanger statt. Der Briefwechsel währte vom selben Jahr bis 2004. Er ist zugleich ein Lebenszeugnis in zwei Sprachen: Deutsch und Französisch. Wie jeder gute Briefwechsel individualisiert er den jeweils anderen durch den anderen, mehr noch: der ‚Lebensrhythmus springt vom einen auf den anderen um‘. Roland Kuhn nannte ihn zurecht eine „wissenschaftliche“ Korrespondenz.
Maldiney, der Philosoph nicht aus Paris, sondern vom Rande, wandte sich mehr und mehr den Fragen der Psychiatrie und den Menschen zu, die ihm selbst ihre Fragen stellten. Kuhn, ein philosophischer Kopf, die Fragen aus seiner Erfahrung.
Wie könnten sie beantwortbar gemacht werden? Das trieb sie um. Diese doppelte Begegnung verwandelte Maldiney und ließen ihn offen werden für die ästhetische Dimension aller Sinne. Chinesische Malerei und Poetik verbündeten sich ihm darin. Roland Kuhn wird „der einzige, wahre Leser“, wie Maldiney von seinem Freund sagt. Er, der beredte, zündet bei Maldiney durch lakonische Prägnanz, umgekehrt treibt diesen seine Neugierde auf „Bücher und Menschen“, auf Anverwandlung neuer Einsichten, die Maldiney und Kuhn einander freigiebig verschenken.
Dies bezeugt ihr außergewöhnlicher Briefwechsel, der im 20. Jahrhundert seinesgleichen sucht.
Begegnung findet immer, so Maldiney, auf des Messers Schneide statt: Rencontre en peril. Umgekehrt eröffnet Kuhn immer wieder überraschend: neues Dasein in den Zeiten.