Religion
Naturanlage oder Illusion?
Martin Honecker
Weitere Informationen unter http://www.rhema-verlag.de/books/ghv_txt/hone01.html
In der Neuzeit wird strittig, ob ‚Religion‘ überhaupt ein menschliches Grundphänomen ist. Das neuzeitliche Denken hat nämlich zugleich erstmals einen Allgemeinbegriff für Religion gebildet und gleichzeitig die aufgeklärte Religionskritik formuliert. Bis dahin waren andere Begriffe wie z.B. Glaube (fides), Frömmigkeit (pietas), Gottesverehrung (cultus dei) bestimmend. Die aufgeklärte Religionstheorie suchte erstmals das Gemeinsame aller Religionen in einer humanen Naturanlage zu erfassen, einem ‚religiösen Apriori‘. Menschen sind danach von Natur religiös. Von der Religiosität als anthropologischen Datum sind freilich die konkreten, geschichtlich gewordenen Religionen zu unterscheiden, die es nur als ‚positive‘ Religionen im Plural gibt. Die Religionskritik sucht hingegen Religion als ‚Projektion‘ menschlicher Sehnsüchte und Wünsche (F. Feuerbach, ihm folgend K. Marx) und als ‚Illusion‘ (S. Freud) zu entlarven. Diese Spannung zwischen Religion als fundamentalanthropologischer Gegebenheit und der Bestreitung von Religion seitens der Religionskritik wurde im 20. Jahrhundert exemplarisch in der evangelischen Theologie theologisch reflektiert (K. Barth, D. Bonhoeffer). Der Beitrag erörtert das Spannungsverhältnis zwischen Offenbarung und Religion, Evangelium und Religion, Glaube und Evangelium und fragt nach den anthropologischen Voraussetzungen theologischer und ideologischer Kontroversen um ‚Religion‘.