Retrospektive Analyse des Überlebens von in Marburg bestrahlten IDH-Wildtyp-Glioblastom-Patienten in Abhängigkeit von Prognosefaktoren und der Bestrahlungsmodalität
Rieke Dumke
Das Glioblastom ist ein seltener, hoch-maligner Tumor, der mit einem medianen Überleben von etwa 15 Monaten rasch zum Tode führt. Die Therapie ist multimodal und umfasst die größtmögliche Resektion gefolgt von einer Radiochemotherapie, wobei je nach Tumoreigenschaften und Zustand des Patienten unterschiedliche Dosis- und Chemotherapie-Konzepte zur Anwendung kommen. Vor dem Hintergrund dieser hoch-belastenden Therapie bei gleichzeitig nur kurzer Überlebenszeit sind zusätzliche Prognosefaktoren für die individualisierte Therapieplanung essenziell.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es an einem Kollektiv von primären, IDH-Wildtyp-Glioblastom-Patienten prognostische Marker in Bezug auf Aussagekraft über progressionsfreies und Gesamtüberleben hin zu untersuchen. Dabei standen neben den bekannten klinischen Prognosefaktoren vor allem die molekularen Marker ATRX, EGFR, p53, Ki-67 LI und MGMT Status im Fokus. Zusätzlich wurde der Einfluss eines 10Gy Protonen Boosts untersucht.
Die Auswertung erfolgte als monozentrische, retrospektive Kohortenstudie an der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Eingeschlossen wurden 137 Patienten, welche zwischen 2014 und 2020 aufgrund eines IDH-Wildtyp-Glioblastoms eine adjuvante Radio- oder Radiochemotherapie erhielten. Diese zeigten im Wesentlichen eine repräsentative Verteilung in Bezug auf Patienten-, Tumor- und Behandlungscharakteristika. Neben der Analyse des Gesamtkollektivs (GK) erfolgte eine Subgruppenanalyse (SG) derjenigen Patienten, die eine Gesamtdosis von 60Gy erhalten hatten, entweder als reine Photonen- oder als kombinierte Photonenbestrahlung mit Protonen Boost.
Dabei zeigten folgende Parameter einen signifikanten Vorteil für das progressionsfreie Überleben: ECOG-Status 0 (GK), methylierter MGMT-Promotor (GK/SG), Ki-67 LI ≤20% (GK/SG), Chemotherapie mit TMZ oder TMZ+CCNU (GK) und Gesamtdosis 60Gy (GK). Davon zeigten sich in der multivariablen Cox-Regression ein methylierter MGMT-Promotor und ein Ki-67 LI ≤20% (beide GK/SG) sowie eine Gesamtdosis von 60Gy (GK) als unabhängige Prognosefaktoren. Eine grenzwertige Signifikanz zeigte sich für einen Überlebensvorteil bei EGFRvIII Überexprimierung.
In Bezug auf das Gesamtüberleben zeigten folgende Parameter einen signifikanten Überlebensvorteil: Alter <63,0 Jahre (GK), ECOG-Status 0 (GK/SG), methylierter MGMT-Promotor (GK/SG), Ki-67 LI ≤20% (GK), Chemotherapie mit TMZ oder TMZ+CCNU (GK), Gesamtdosis 60Gy (GK) und Erhalt einer Re-Therapie (GK/SG). Davon zeigten sich in der multivariablen Cox-Regression ein methylierter MGMT-Promotor und der Erhalt einer Re-Therapie (beide GK/SG) als unabhängige Prognosefaktoren. Ebenso war der Resektionsstatus ein unabhängiger Prognosefaktor in der multivariablen Cox-Regression (GK/SG).
Für die restlichen molekularen Marker (ATRX Verlust, p53 und EGFRvIII Überexprimierung) sowie für die Applikation eines Protonen Boosts konnte kein signifikanter Überlebensunterschied festgestellt werden, ebenso wenig für das Geschlecht, die Bestrahlungsvolumina (CTV/PTV), die Modalität der ersten Re-Therapie bei Progress oder Rezidiv (Re-OP/Re-Radiatio/-Re-Chemo) sowie die Anzahl der applizierten Re-Therapien.
Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse für einen Überlebensvorteil bei Ki-67 LI ≤20% wurde der RPA Score modifiziert und um den Ki-67 LI erweitert. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Kombination aus Alter ≥50 Jahre, ECOG-Status >2 und Biopsie verlässlich eine schlechte Prognose mit kurzer Überlebenszeit prognostiziert. Auf der anderen Seite identifizierte die Kombination aus Alter <50 Jahre, ECOG-Status 0 und Ki-67 LI ≤20% unabhängig vom Resektionsstatus die kleine Gruppe Langzeitüberlebender des vorliegenden Kollektivs. Ferner zeigten Patienten mit einem bei Progress oder Rezidiv reduziertem Ki-67 LI ein tendenziell besseres Gesamtüberleben als diejenigen Patienten mit stabilem oder erhöhtem Ki-67 LI.
Somit konnten die bekannten Prognosefaktoren jüngeres Alter, besserer ECOG-Status, methylierter MGMT Promotor, Resektionsstatus und Erhalt einer Chemotherapie bestätigt werden. Zu ATRX Verlust und EGFRvIII Überexpression konnte keine klare Aussage gewonnen werden, p53 Überexpression zeigte sich nicht mit dem Überleben korreliert. Der Ki-67 LI konnte als Prognosefaktor bestätigt und in einen modifizierten RPA Score integriert werden, welcher neue prognostische Möglichkeiten v.a. für Langzeitüberlebende ermöglicht. Der Erhalt einer Gesamtdosis von 60Gy konnte als Prognosefaktor bestätigt werden und es konnte gezeigt werden, dass ein volumenreduzierter Protonen Boost keine Nachteile für das Überleben bringt. Der Erhalt einer Re-Therapie, unabhängig von der gewählten Therapiemodalität, war ebenfalls prognostisch relevant.
Als Ausblick der Arbeit konnten verschiedene Punkte zur möglichen Optimierung des diagnostischen und therapeutischen Dokumentationsprozesses identifiziert werden. Weitere prospektive Studien mit großen Patientenzahlen v.a. im Hinblick auf die prognostische Bedeutung des Ki-67 LI erscheinen sinnvoll.