Risikomanagement in der Direktvermarktung erneuerbarer Energien
Nicolas Thie
Verbunden mit dem weltweiten Ausbau dezentraler Erzeugungsanlagen (DEA) steigt die Forderung nach einer stärkeren Marktintegration. Dabei haben sich Aggregatoren, welche DEA bündeln und zentral vermarkten, als Dienstleister für
die Direktvermarktung dezentraler Anlagen etabliert. Aggregatoren sind in der Direktvermarktung finanziellen Risiken aufgrund von Prognoseunsicherheiten ausgesetzt, insbesondere durch dargebotsabhängige Erzeugung. Diese können die
Wirtschaftlichkeit der Direktvermarktung beeinträchtigen. Die Quantifizierung der Risikoexposition sowie die Ableitung und Nutzung von Maßnahmen des Risikomanagements gewinnen zunehmend an Bedeutung. Bisherige Verfahren zur Vermarktungsplanung berücksichtigen zumeist nur einzelne Unsicherheiten und erlauben keine umfassende Bewertung des Risikomanagements. Ziel dieser Arbeit ist daher die Entwicklung eines Verfahren, welches eine optimale Vermarktungsentscheidung unter Unsicherheit bestimmen und gleichzeitig Maßnahmen für Risikomanagement gezielt einsetzen und bewerten kann. Aus der Analyse verwandter Forschungsfelder werden die Maßnahmen „Hedging mit Termingeschäften“, „Einsatz von Flexibilitäten“ sowie „regionale Diversifikation“ von DEA identifiziert. Das entwickelte Verfahren gliedert sich dabei in die Szenariogenerierung und die Vermarktungsplanung unter Unsicherheit. Innerhalb der Szenariogenerierung werden die Unsicherheiten in Form stochastischer Szenarien modelliert. Sie bilden die statistischen
Eigenschaften der zugrundeliegenden Unsicherheiten ab (Wahrscheinlichkeitsverteilung, Auto- und Kreuzkorrelation). Die Vermarktungsplanung wird in Form der stochastischen gemischt-ganzzahligen linearen Programmierung implementiert. Auf Basis der Szenarien wird eine optimale Vermarktungsentscheidung unter den Zielgrößen des erwarteten Erlöses (bzw. Rendite) sowie des Risikomaßes Conditional-Value-at-Risk (CVaR) bestimmt. Der Vermarktungsprozess wird dabei geschlossen betrachtet, um Interdependenzen zwischen den Märkten und Risikomanagementmaßnahmen bewerten zu können. Das Verfahren wird für einen exemplarischen Untersuchungsfall validiert und zur Bewertung der Risikomanagementmaßnahmen angewendet. Durch kombinierte Anwendung aller Maßnahmen kann die Wirtschaftlichkeit deutlich erhöht werden. So wird eine Steigerung der erwarteten Rendite um 15%-Punkte und des CVaR um ca. 20%-Punkte im Vergleich zur Benchmark ohne Risikomanagement erreicht. Als Hauptkriterium für die Wirkung der Maßnahmen kann ihr Einfluss auf die Volumenrisiken und damit die Ausgleichsenergiebedarfe identifiziert werden. Je stärker die Maßnahmen die Ausgleichsenergiebedarfe reduzieren können, desto stärker verbessern sie die Wirtschaftlichkeit in der Direktvermarktung.