Schale und Kern: Schönbrunner Metamorphosen
Eine Beobachtung
Selma Ram
Ein Eichhörnchen im Schönbrunner Schlosspark hat sich zur Aufgabe gemacht, die Menschen zu beobachten. Sein Blick ist scharf. Es ist klug, feinsinnig und weitsichtig. Sein Interesse gilt vor allem der Entwicklung der Menschen: In welchen Lebenssituationen kommt das wahre Ich zum Vorschein? Wo sind die Knackpunkte? Was muss passieren, dass die Schale springt? Hier, auf der „Schönbrunner Lebensbühne“, legt es Fährten auf seine Weise, hilft, das Wesentliche zu erkennen. Unterschiedliche Lebenssituationen von Menschen werden betrachtet und kommentiert – nicht ohne liebevolle Ironie: glückliche und unglückliche Liebespaare, Familien mit ihren Kindern, junge Mädchen, Touristen, Schriftstellerinnen, Nonnen, Sportler und Pensionisten … Es geht um Änderungen der eingefahrenen Wege und Lebenskonzepte, um Neuanfänge und Wandlungen. So ist auch das Zitat aus Ovids Metamorphosen zu verstehen, das dem Buch als Motto vorangestellt ist: „Von den Gestalten zu künden, die einst sich verwandeln in neue Körper, so treibt mich der Geist.“ Photographien des Schlossparks aus ungewöhnlichen Perspektiven – fernab der bunten touristischen Bilder- finden sich zwischen den 15 Kapiteln. Erzählt wird mit spielerischer Leichtigkeit und verstecktem Witz, ist es doch ein charmantes Eichhörnchen, das die Menschen betrachtet. Und im Vorspann wird ja auch ein Dank an das Eichhörnchen ausgesprochen, das sich so bereitwillig als Sprachrohr zur Verfügung gestellt hat.