Schöpfungsmythen
Modelle der Bewusstwerdung im Menschen
Marie-Louise von Franz
Schöpfungsmythen berühren uns in der Tiefe unserer Seele. In vielen Kulturen und Stammesreligionen gehört das Erzählen des Schöpfungsmythos zu den wesentlichen Elementen bei den Einweihungsritualen. Schöpfungsberichte handeln vom Werden der ersten Dinge und Wesen, vom allerersten Wirken von Gottheiten, aber auch von der Entstehung des Kosmos überhaupt. Marie-Louise von Franz sammelt in diesem Buch eine Fülle von Schöpfungsmythen aus allen Erdteilen; sie schliesst Vorstellungen der griechischen Naturphilosophie, der Gnosis und der Alchemie ein, und sie diskutiert moderne naturwissenschaftliche Hypothesen. In ihrer tiefenpsychologischen Betrachtungsweise zeigen Schöpfungsmythen Bilder und Funktionsweisen schöpferischer Kräfte im Unbewußten. Sie veranschaulichen archetypische Muster einer vorbewußten Ganzheit, aus der die kontinuierlichen Erneuerungsprozesse in der Psyche und die Entwicklung von Bewußtsein im Individuum hervorzugehen scheinen. Zahlreiche Motive in den Schöpfungsmythen wiederholen sich in Träumen moderner Menschen und können mit der Symbolik des Individuationsprozesses verglichen werden. Aufgrund ihrer unvergleichlich reichen Erfahrung kann die Autorin aufzeichnen, warum der Prozeß der schöpferischen Erneuerung des Bewußtseins beim einzelnen Menschen oftmals von Depressionen, von Einsamkeit, von Gefühlen der Leere und Sinnlosigkeit, von Ängsten, aber auch von sexueller Bedrängnis begleitet ist. Hinter vielen neurotischen Symptomen scheint ein Drang zu stehen, der auf eine Erneuerung der Schöpfung im Inneren des Individuums hinzielt.