Semantische Entwicklungsprozesse und kognitive Gestalten
Eine empirische Studie zur Bedeutungsentwicklung und mentalen Repräsentation von Farbwörtern bei Kindern im Alter von 4-6 Jahren
Jürgen Kurtz
Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung muß das Problem der Bedeutungsentwicklung und mentalen Repräsentation von Farbwörtern als weitgehend ungelöst betrachtet werden. So existieren zwar einige empirische Studien, die den komplexen Entwicklungsprozeß dokumentieren, eine explikative Theorie der kindlichen Farbbedeutungsentwicklung steht jedoch noch aus. Vor dem Hintergrund dieses Defizits befaßt sich die vorliegende Arbeit zunächst mit dem fundamentalen Paradigmenwandel im Bereich der allgemeinen Erforschung semantischer Entwicklungsprozesse und stellt die rivalisierenden Modelle der Systemlinguistik (Merkmalstheorie) und der Kognitionspsychologie (Prototypentheorien) gegenüber. Anschließend erfolgt eine umfassende Einführung in die spezielle Problematik der Bedeutungsentwicklung und mentalen Repräsentation von Farbwörtern. Empirische Befunde zur Struktur und Ontogenese von Farbkategorien werden dabei ebenso berücksichtigt, wie zur Phylogenese des Farbvokabulars und zur Neurophysiologie der farbspezifischen Reizverarbeitung. Schliesslich wird anhand der wichtigsten entwicklungspsychologischen und patholinguistischen Erkenntnisse der Gestalttheorie ein Erklärungsansatz vorgestellt, der die bisherigen Befunde der Prototypenforschung im Sinne eines explikativen Entwicklungsmodells vereinigt.