Semen est sanguis Christianorum
Literarische Inszenierungen von Macht und Herrschaft in frühchristlicher Passionsliteratur
Timon Binder
In den vorkonstantinischen christlichen Märtyrerakten wird ein scharfer und spannungsgeladener Antagonismus zwischen Christen und heidnischem römischen Staat aufgebaut und in der Darstellung der Geschehnisse um die Märtyrerhinrichtungen dramatisch in Szene gesetzt, kommuniziert sowie in der (christlichen) Gesellschaft literarisch etabliert. Mit diesen vor allem in ihrer Masse wirkungsmächtigen Texten setzt sich das Christentum nicht nur in bewusste Opposition zum heidnischen römischen Reich, sondern bildet aufgrund der in den Texten propagierten Alternativangebote zu den bestehenden gesellschaftlichen, religiösen und sozialen Gegebenheiten ein gefährliches subversives Potential. Das Machtmonopol des Staates wird in den Texten konsequent in Frage gestellt, delegitimiert, aufgelöst und neu konstituiert. Diese Texte erscheinen durch die literarischen Inszenierungen von Macht und Ohnmacht und durch den aufgebauten Antagonismus zwischen den diabolischen Mächten Roms und den für Gott kämpfenden Christen als überaus aggressive Literaturform mit apokalyptischem Gepräge.