Simone de Beauvoir. Frau – Denkerin – Revolutionärin
Ein SPIEGEL E-Book
Claudia Voigt
Ihr Buch „Das andere Geschlecht“ machte Simone de Beauvoir zur berühmtesten französischen Intellektuellen. Ihre zentrale These, dass die Vorstellung von Weiblichkeit eine kulturelle Prägung ist, ist bis heute – siebzig Jahre nach dem Erscheinen des Werks – relevant, was einerseits ein faszinierendes Licht auf de Beauvoirs philosophisches und analytisches Vermögen wirft, aber auch bezeugt, dass die Debatte über die Rolle der Frau in einer Wiederholungsschleife festhängt.
In den vielen Artikeln, die DER SPIEGEL seit 1949 über Simone de Beauvoir veröffentlicht hat, ist nicht nur nachzulesen, wie wegweisend die existenzialistischen Werke der Schriftstellerin und Philosophin zur Zeit ihres Erscheinens waren. Wie ungewöhnlich radikal sie ihr Leben führte. Die Texte zeigen auch, wie gering die Bereitschaft zunächst war, Simone de Beauvoir, eine Frau, als eigenständige Denkerin wahrzunehmen. Über Jahrzehnte wird sie von männlichen SPIEGEL-Autoren vielmehr als Anhängsel Sartres beschrieben, als unglückliche Lebensgefährtin, die sich in Affären flüchtete, weil sie unter der offenen Beziehung mit Sartre litt. Dass diese Wahrnehmung einem engen Weltbild geschuldet war, zeigt sich in späteren Texten. Die Frauenbewegung der Siebzigerjahre, die Verehrung Alice Schwarzers für die französische Philosophin und auch die schlichte Tatsache, dass sie ihren Lebensgefährten um sechs Jahre überlebte und in dieser Zeit ihr Werk fortschrieb, veränderte den Blick auf sie. Es brauchte die Dauer ihres fast achtzigjährigen Lebens, um anzuerkennen, dass Simone de Beauvoir eine Jahrhundert-Denkerin war.